Unscharfes Bild, aber klare Erinnerungen: Wolf Peter Bree und Sohn Axel auf dem Gipfel des Mauna Kea auf Hawaii.

Foto: Bree

Axel Bree: "Ich sehe genauso aus wie mein Vater, auch vom Typ her gibt es große Ähnlichkeiten."

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Mein Vater ist mit 51 gestorben, ich war damals 28. Wir waren am Sonntagabend noch gemeinsam essen, am Montagabend ist er umgekippt und war tot. Das war 1996. Die Situation hat alles auf den Kopf gestellt. Die große Frage lautete: Wie geht es weiter?

Alles im Unternehmen war auf meinen Vater zugeschnitten. Es gab keine Entscheidung, die nicht von ihm getroffen wurde. Als Mensch war er nicht zu bremsen, eine typische Gründerpersönlichkeit. Mit den Taschen hat er im Keller der Großeltern angefangen. Er war eigentlich Handelsvertreter für Möbel für eine Firma in Süddeutschland, für die er auch Möbel designte. Er wollte aber etwas Eigenes machen. So kam er zum Design von Taschen. Klare Formen, große Flächen, das Bauhaus hatte es ihm angetan. Und natürlich vegetativ gegerbtes Naturleder, das auch heute noch die typische Bree-Optik bestimmt. Er erkannte, dass es dafür einen großen Markt gab.

Arbeit, Arbeit

Während meiner Kindheit und Jugend ging es sehr oft und fast Tag und Nacht ums Geschäft. Wir spielten zwischen den Taschenkartons Verstecken, waren mit auf Messen, haben teilweise auch mit verkauft. Geldmäßig hat uns unser Vater nicht jeden Wunsch erfüllt. Die Leistungen meines Bruders und von mir waren meinem Vater sehr wichtig. Er war ziemlich ehrgeizig beim Sport, vor allem mit seinen Söhnen, unsere Tennisfights waren extrem hart, als er nicht mehr immer siegte, war das ein Problem. In der Pubertät war es nicht immer einfach mit ihm, da gab es auch öfters Spannungen. Er wollte seinen Weg gehen, ich aber nicht. Mein Vater war ein Supertyp, deshalb war er auch das Werbegesicht der Marke, aber ich wollte da eher unabhängig sein.

Die Taschen haben von Anfang an hervorragend funktioniert, als Schul- oder Studenten- oder Reisetaschen. Irgendwann änderte sich aber der Zeitgeist: Die Naturledertasche war stark vom Image der Grünen geprägt. Anfang der 1980er standen sie für Wollpullover, saßen strickend im Bundestag. Das war nicht gerade sexy. Dann wurden die Taschen auch noch von Lehrern getragen, damit waren sie bei den Jüngeren unten durch.

Nylon im Gepäck

Glücklicherweise waren wir aber schon einen Schritt weiter. Wir haben das erste Leichtgepäck in Deutschland eingeführt, das war ein solides Standbein. Nylonrucksäcke, Nylonkoffer, da war mein Vater weit vorn mit dabei. Das Produkt war dem Unternehmen voraus, die Organisation war mittelmäßig, diese musste erst sukzessive weiterentwickelt werden. Bevor dieser Prozess abgeschlossen war, ist mein Vater verstorben.

Emotional konnte ich seinen plötzlichen Tod nicht fassen. Zu dem Zeitpunkt arbeitete ich als Marketingassistent in einem Unternehmen, das Türklinken herstellt. Ich habe mich frei und unbelastet gefühlt. Wir waren vier Kinder, zwei aus zweiter Ehe, vier und sechs, und mein Bruder und ich, Mitte und Ende zwanzig.

Wir hatten ganz eigene Lebenspläne. Mein Bruder und ich sind aber schnell zum Entschluss gekommen, dass wir in das Unternehmen einsteigen wollen. Der Beirat setzte einen Geschäftsführer ein, Ende 2001 haben dann mein Bruder und ich übernommen. Es war sofort klar, dass er den Produktpart und ich den Vertriebspart übernehme.

Bruder & ich

Mein Bruder und ich sind recht unterschiedlich. Ich sehe genauso aus wie mein Vater, auch vom Typ her gibt es große Ähnlichkeiten. Ich mache vielleicht nicht so viel auf einmal wie er, bin strukturierter. Mein Bruder hat eher das Alles-auf-einmal von ihm. Was uns eint, ist das Interesse für die schönen Dinge.

In den ersten Jahren nach seinem Tod war mein Vater noch sehr präsent. Zu wem man auch immer ging, hieß es: Ihr Vater war unglaublich, ein Supertyp! Bald mussten wir aber erkennen: In die Fußstapfen jemand anderes zu treten lässt wenig Platz für eigene Spuren. Wir mussten unseren eigenen Weg gehen. Der Markt hatte sich verändert, der Weg, den ich und mein Bruder zusammen gingen, brachte nicht den Erfolg, den wir uns gewünscht hatten.

Wir hatten einen Ballast mit uns zu tragen, wir mussten die Erbschaftssituation regeln. Auch die Doppelspitze war nicht immer ideal. Das Markenbild wurde nicht so klar herausgearbeitet. Mein Bruder hat dann 2012 das Unternehmen verlassen.

Was mein Vater heute denken würde, wenn er für einen Tag zurückkommen könnte? Er wäre enttäuscht, dass ich und mein Bruder das nicht gemeinsam hingekriegt haben. Über die Marke Bree würde er sagen: Ihr lebt ja immer noch von den Modellen, die ich gemacht habe! (lacht)

Außer der Planentasche gehen in der Tat die meisten Modelle auf ihn zurück. Er ist heute noch präsent in der Designsprache, im Logo, auf unserer Homepage, im Historiengang unseres Unternehmens. Er würde sich selbst auf die Schulter klopfen und sagen: Gut gemacht! Zum Glück bin ich kein neidischer Mensch. Wie ich das Unternehmen heute führe? Ich habe eine Aufgabe, die mich sehr erfüllt, übernehme Verantwortung für die Marke und die Mitarbeiter, und ich mache das nach bestem Wissen und Gewissen. Als Familienunternehmer. (Aufgezeichnet von Stephan Hilpold, RONDO, 17.6.2017)