Dass Bärte in der Türkei politisches Kommunikationsmittel sind, ist ja nichts Neues. So konnte man früher mithilfe des Schnurrbartschnitts klar einen Nationalisten von einem Sozi unterscheiden – und vor allem die Träger selbst erkannten einander, mit manchmal durchaus handgreiflichen Folgen, war man sich doch vom eigenen subjektiven Standpunkt sicher, dass der jeweils andere eine Watsche verdient.

Heute, zumindest bei den Jungen, ist das nicht mehr so streng, da existiert das ehemals linke Walross friedlich neben dem ehemals rechten Hufeisen, ganz zu schweigen von den diversen osmanischen oder Bobo-Voll- und Kinnbärten. Aber eine bestimmte Gruppe von Männern scheint wieder vermehrt darauf Wert zu legen, ihre Gesinnung unter der Nase zu tragen: In der türkischen Regierung sind die glattrasierten Gesichter fast gänzlich verschwunden. Alle haben sie den braven sauberen türkischen Islamistenschnauzer à la Erdo.

Ein relativ neu zur Rotzbremse Konvertierter ist etwa Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu. Es heißt, dass der Präsident persönlich den Seinen die Adaptierung ihrer Oberlippen an die neue Ordnung nahegelegt hat. Er gibt ja gerne ästhetische Empfehlungen ab. Sie sind auch bestimmt karrierefördernd. Ob sich auch das blaue Großkaro-Sackl durchsetzt? Vielleicht reicht es den Türken dann – nur: Ihren neuen Sultan schnell wieder loszuwerden wird nicht mehr so einfach sein. (Gudrun Harrer, 18.4.2017)