Das Salzbergtal heute.

Foto: NHM Wien/Andreas W. Rausch

Das Salzbergtal um 1910 mit dichter Bebauung durch den Bergbaubetrieb.

Foto: Postkartensammlung R. Fürhacker

Viele Strukturen im Boden sind auf Geländemodellen und Scans gut zu erkennen.

Foto: Wildbach- und Lawinenverbauung Oberösterreich

Historische Karte des Salzbergtals 1698.

Foto: Ausschnitt aus der Salzbergkarte XII_271_rot/Oberösterreichisches Landesarchiv, Karten- und Plänesammlung

So überraschend der hoffentlich letzte Wintereinbruch des Jahres diese Woche die Niederungen getroffen hat, so normal und selbstverständlich ist Schnee um diese Jahreszeit im Hochtal von Hallstatt. Doch bald werden auch dort die letzten Schneeflocken gefallen sein und das frühlingshafte Tauwetter Einzug halten. Und mit der Schneeschmelze werden sonst verborgene Zeugnisse der Industrie- und Kulturgeschichte für kurze Zeit wieder sichtbar.

Die archäologische Winterarbeit im Naturhistorischen Museum Wien ist beinahe abgeschlossen. Zeit für uns, wieder ins Gelände zu gehen. Und in drei Wochen ist es schon so weit. Denn Anfang Mai, wenn der Schnee geschmolzen und die Vegetation im Hochtal noch niedrig ist, ist der perfekte Zeitpunkt, sich diese einmalige Landschaft genauer anzusehen. Hält der Frühling erst richtig Einzug, sind sichtbare Strukturen bald wieder von dichtem Grün verdeckt. Denn zwischen den Felswänden des Salzbergtals drängen sich 7.000 Jahre Kulturgeschichte auf engstem Raum – ist dies doch nicht zuletzt die älteste Industrielandschaft der Welt, in der bis heute kontinuierlich produziert wird. Schon lange vor der ersten urkundlichen Erwähnung des Hallstätter Salzbergbaus im Jahr 1305 drehte sich in dieser Region alles um das weiße Gold, und das gesamte Leben der Bevölkerung wurde auf dessen Produktion ausgerichtet.

Autarker Bergbaubetrieb

Aufgrund der Beengtheit des Tales ist es nicht verwunderlich, dass sich Vergangenheit und Gegenwart hier ständig berühren. Immer wieder stößt der moderne Bergwerksbetrieb auf die Spuren der prähistorischen Bergleute. Eingriffe der über die Jahrtausende hier siedelnden Menschen sind im Gelände noch immer zu finden. Mauerreste, Wege, Terrassierungen, Bachverbauungen und vieles mehr zeugen von der intensiven Salzproduktion. Schließlich war die gesamte Infrastruktur des Bergbaus bis 1957 im Hochtal angesiedelt und dieses entsprechend dicht bebaut.

Bis dahin war der Betrieb, bedingt durch die schwere Erreichbarkeit, noch großteils selbstversorgend, was Werkzeug, Baumaterial, Strom und auch Lebensmittel betraf. So fanden sich im Salzbergtal nicht nur Wohn- und Verwaltungsgebäude, sondern auch ein Sägewerk, ein Wasserkraftwerk, das Lampenhaus, Kalkbrennöfen, Schottergruben, Kapellen, Schusterbetriebe, Stallungen, ein Schlachtraum und die alte Schmiede – jenes Gebäude, das mittlerweile als Quartier der Archäologen und Außenstelle des Naturhistorischen Museums fungiert.

Informationen sammeln im Gelände

Alle Bodenmerkmale, also geologische Gegebenheiten wie Rutschungen und Felsstürze, die Gebäude und Hinterlassenschaften des moderneren Bergbaus, sowie sämtliche noch sichtbaren Zeugnisse älterer Besiedelung und Nutzung – vom Mittelalter bis in die Jungsteinzeit –, werden jetzt aufgenommen, kartiert und dokumentiert. Dafür finden im Mai Geländebegehungen statt, bei denen diese Spuren – vom Hallstätter See bis hinauf zum Felsmassiv des Plassen – aufgesucht, fotografiert und vermessen werden.

Dabei wird nicht nur mit modernen Mitteln wie Airborne-Laserscanning und Drohnen gearbeitet, um die Strukturen zu finden, sondern auch mit historischen Karten, die bis in das 17. Jahrhundert zurückreichen. Mit all diesen Mitteln wird es hoffentlich auch gelingen, die gefundenen Komplexe ihrer Entstehungszeit und ehemaligen Funktion zuzuordnen. Doch die Zeit drängt: Die Bodenmerkmale, Gebäude und Strukturen zerfallen und werden überwuchert. Alles, was jetzt nicht für die Nachwelt dokumentiert und festgehalten wird, könnte bald für immer verschwunden sein.

Verständnis und Schutz

In weiterer Folge werden die bei den Begehungen gewonnenen Informationen mit allen zur Verfügung stehenden Quellen – alte Fotografien, historische Karten, Verwaltungsunterlagen – verglichen und in eine umfassende Datenbank eingespielt. Daraus entsteht ein vierdimensionales Geoinformationssystem (4D-Gis), das sämtliche Information über die Landschaft vereint und deren Aufbereitung ermöglicht. Diese Systeme kombinieren die geografische, räumliche und visuelle Information mit einer Zeitleiste, anhand derer die Entwicklung der industriellen Landschaft nachvollzogen werden kann.

Auf dieser Basis soll auch eine App entwickelt werden, die Besuchern des Hochtals eine visuelle Zeitreise durch die Jahrhunderte und Jahrtausende im Salzbergtal ermöglichen soll. Auch Berichte der letzten Zeitzeugen, die den autarken Bergbaubetrieb erlebt haben, werden aufgenommen und archiviert, um damit individuelle Lebenswelten innerhalb dieser Landschaft zu erfahren. Die Präsentation der gesammelten und aufbereiteten Informationen soll nicht zuletzt das für den Schutz und die Erhaltung dieser Kulturlandschaft wichtige Verständnis und Interesse fördern.

Beziehung von Mensch und Landschaft

Auch für die weitere Erforschung der Anfänge der Salzproduktion und der frühesten Besiedelung des Hochtals sind diese Informationen unerlässlich. Denn alle Zeugnisse – noch bestehende Gebäude, alte Fotografien, historische Karten, Verwaltungsunterlagen, Umweltereignisse – können uns helfen, die komplexen Strukturen und Anforderungen einer derartig spezialisierten Gesellschaft an ihre Landschaft besser zu verstehen.

Eine Frage, mit der sich auch das neue interdisziplinäre Projekt "Facealp" der Österreichischen Akademie der Wissenschaften beschäftigt: In welcher Beziehung standen der Mensch und die Landschaft, in der er lebte, über die Jahrtausende hinweg? Wie beeinflusste die Landschaft den Menschen durch Umweltbedingungen, Unwetter oder Klima? Wie veränderte der Mensch seine Umwelt durch Abholzung, Landnutzung und Besiedelung? Mehr zu diesem Projekt in wenigen Wochen von Kerstin Kowarik hier im Archäologieblog.

Mit der Annäherung an diese und ähnliche Fragen wird es gelingen, die Wechselwirkung zwischen Mensch und Landschaft, zwischen Natur und Kultur in dieser außergewöhnlichen Region durch die Jahrtausende besser zu verstehen. (Fiona Poppenwimmer, Hans Reschreiter, 20.4.2017)