Eine Wespe ist in die Falle gegangen. Zunächst sondern die Drüsen der Venusfliegenfalle Salzsäure ab, die Verdauungsenzyme folgen erst Stunden später.

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Würzburg – Sie ist der Promi unter den fleischfressenden Pflanzen und sorgte bereits im 18. Jahrhundert für Aufsehen: die Venusfliegenfalle. Das verdankt sie vor allem ihren blitzschnell beweglichen Klappfallen, die an Fangeisen erinnern. Hat sie einmal zugeschnappt und Insekten eingeschlossen, löst sie diese mit einem Verdauungssekret auf und konsumiert die Nährstofflösung.

So weit, so spektakulär. Eine im Vorjahr veröffentlichte Studie von Biologen um Rainer Hedrich (Universität Würzburg) deckte einen Mechanismus auf, mit dem die Pflanze eruiert, ob tatsächlich ein Mahl ansteht oder ob es sich nur um Fehlalarm handelt: Sie "zählt", wie oft die haarfeinen Sensorborsten im Inneren des Fangapparates berührt werden. Jeder mechanische Kontakt mit den Haaren löst ein elektrisches Signal aus, das sich wellenförmig über die Falle ausbreitet. Die erste Berührung aktiviert die Alarmbereitschaft, bei der zweiten schnappt die Falle zu. Beim dritten Mal wird ein Hormon ausgeschüttet, der Verdauungsvorgang beginnt ab der fünften Berührung.

Blick in den "Magen"

Nun untersuchten Hedrich und Kollegen im Detail, wie die Verdauung abläuft . Wie sie aktuell im Fachblatt "PNAS" berichten, bilden diese membranumhüllte, mit Flüssigkeit gefüllte Bläschen (sekretorische Vesikel) und geben deren Inhalt nach außen ab. Der gesamte Prozess ist abhängig von Kalzium und wird von bestimmten Proteinen gelenkt. In den Drüsenzellen werden außerdem Gene aktiviert: "Wir gehen davon aus, dass sie für die Beladung der Vesikel mit Protonen und Chlorid sorgen, also mit Salzsäure", sagte Hedrich.

Mithilfe von Elektroden konnten die Forscher messen, dass wiederholte Berührungen der Sinneshaare den Einstrom von Kalzium-Ionen in die Drüse auslösen. Hedrich: "Durch den Anstieg des Kalzium-Spiegels im Zellplasma fusionieren die Vesikel mit der Plasmamembran, ähnlich wie man das von der Neurotransmitter-Sekretion von Nervenzellen kennt. Dem Kalziumeinstrom folgt mit zeitlicher Verzögerung der Ausstrom von Protonen und Chlorid."

Späte Ausschüttung

Um herauszufinden, was die Drüsenvesikel noch enthalten, führten die Forscher zudem Analysen mit Kohlefaser-Elektroden durch. "Zuerst waren wir enttäuscht, weil wir nicht gleich Signale fanden, wie man sie von sekretorischen Zellen bei Mensch und Tier kennt", sagte Sönke Scherzer, ebenfalls von der Uni Würzburg. Es stellte sich heraus, dass die Vesikel in den ersten Stunden nach dem Beutefang zwar Salzsäure enthalten, aber noch keine Verdauungsenzyme.

Die Bildung dieser Enzyme kommt erst nach einigen Stunden in Gang: Die ersten charakteristischen Signale traten nach etwa sechs Stunden auf und waren 24 Stunden später in vollem Gange. In dieser Phase ist die Falle dann komplett sauer und reich an Verdauungsenzymen. Unterschungen mittels Magnetresonanz-Spektroskopie (MRT) zeigten schließlich, dass Kalzium beim Fluten des "Magens" mit dem Verdauungscocktail eine entscheidende Rolle spielt. Blockiert man den Einstrom von Kalzium, bleibt die Falle trocken. (red, 24.4.2017)