Versuche zur Gewichtslosigkeit: Die Arbeiten der Bildhauerin Sarah Pichlkostner in der Galerie Winter.

Foto: Simon Veres

Apps, die der "Selbstoptimierung" dienen, liegen im Trend. Sie helfen uns, unsere To-do-Listen abzuarbeiten, sie loben uns, wenn wir Kalorien verbrennen. Sie protokollieren und quantifizieren unser Leben, damit wir endlich ein bisschen Überblick bekommen. Woher wir kommen und wohin wir gehen? Wer weiß das schon. Aber ob wir täglich genug Schritte auf der Erde tun, das zumindest kann die moderne Technologie für uns checken.

Es ist der Hang zur Selbstperfektionierung mit digitalen Hilfsmitteln, der die Künstlerin Sarah Pichlkostner (geb. 1988) in jüngster Zeit interessiert – und so auch in ihrer aktuellen Präsentation in der Wiener Galerie Winter. Kuy calls Kay: "oh darling, we flying to the moon we need to save weight" (sic! – der Fehler, hier sprachlicher Natur, wird sich später als Leitmotiv herausstellen) heißt die Schau. "Kuy" und "Kay" sind dabei als Charaktere zu verstehen, die Pichlkostner als fingierte User in obengenannten Selbstoptimierungsapps ins Leben rief.

Menschlich-maschinelle Polyphonie

So weit, so gut. Betritt man die Ausstellung, drängt sich die zeitkritische Unterfütterung zunächst nicht auf. Erst am hinteren "Ende" der Schau bekommt man einen recht konkreten Schlüssel: Aus einem Lautsprecher tönen da, einander überlagernd, einerseits eine menschliche Stimme, andererseits eine computergenerierte Google-Vorlesestimme.

Es ist eine menschlich-maschinelle Polyphonie, die ergänzt wird um einen Dialog, vielleicht zwischen Kuy und Kay, der im Lift der Galerie erahnbar ist. Man nimmt den Sound zunächst als eine Art Hintergrundrauschen wahr, schwebend und vieldeutig – wie jene Objekte Pichlkostners, die den Hauptteil der Ausstellung ausmachen.

Es handelt sich um von der Decke hängende, teils fragil wirkende Skulpturen, gebaut aus Aluminiumstäben und versilberten Glasröhrchen. Sie wirken wie skizzenhafte räumliche Zeichnungen. Bisweilen scheinen in den minimalistischen Konstruktionen bekannte Formen angedeutet zu sein, changierend etwa zwischen Surfbrett und Sarg. Einem Objekt mit zwei dünnen Beinchen – eines davon berührt leicht den Boden – gesteht man fast menschliche Anmutung zu.

Spannungsvolle Balance

Tatsächlich sieht Pichlkostner jedes dieser Arrangements als eine "Persönlichkeit". Die Spannung, in der sie sich physikalisch befinden, verweist auch darauf, dass sie gleichzeitig Objekte und Subjekte sein sollen: Charaktere, die belebt werden von sanften Luftbewegungen, aber auch von wechselnden Lichtstimmungen – und nicht zuletzt von den Stimmen aus oben erwähnter Soundinstallation. Körper aber auch, die sich in ihrer Vieldeutigkeit, ihrer "Fehlerhaftigkeit" der Verarbeitung durch Algorithmen widersetzen mögen, sich eben nicht festmachen und dem Produktivitätsgebot unterwerfen lassen.

Der Schwebezustand ist ein zentrales Motiv in Pichlkostners Schau. Die "Reise zum Mond", die hier die erzählerische Grundierung bildet, beginnt eben mit den ersten Zentimetern, die einen vom Boden trennen – so legen es ihre Objekte nahe. Dass das mit dem Schweben einfach sei, darüber lässt Pichlkostner indes keine Illusionen aufkommen. Nicht etwa an Nylonfäden hängen ihre Objekte, sondern an unübersehbaren neongelben Riemen. (Roman Gerold, 24.4.2017)