Südoststeirische Touristenattraktion Riegersburg: Der Dauerbrenner Hexenausstellung präsentiert sich zum 30-Jahr-Jubiläum Ende April rundum erneuert und erweitert, unter der Regie des Hausherrn (unten ).

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Steirer vor Zugbrücke: Emanuel von und zu Liechtenstein.

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"Liechtenstein. Ich bin die Urlaubsvertretung Ihres Hausarztes." In der Überraschung, nicht den gewohnten Doktor in der Ordination vorzufinden, geht der Name zunächst unter. Die nächste Begegnung mit dem freundlichen jungen Mann ist medial – er lacht von einer Zeitungsseite. Prinz Emanuel von und zu Liechtenstein, steht da. Burgherr der Riegersburg. Jener imposanten Wehr- und Schlossanlage in der Südoststeiermark, die der österreichische Feldmarschall Montecuccoli einst die "stärkste Feste der Christenheit" nannte.

Unser drittes Treffen beginnt in der Talstation der Standseilbahn. Natürlich, das ist er, der Doktor, der sich damals etwas mehr als die übliche Sprechstundenzeit nahm. Seinerseits entsinnt er sich des Patienten nicht mehr. Kaum verwunderlich bei jährlich rund einhundert Tagen Urlaubsvertretung in diversen Arztpraxen der Region.

Praktizierender Allgemeinmediziner und Chef einer der größten touristischen Attraktionen der Steiermark, wie geht das zusammen? Wir sitzen auf der Burgterrasse. Ein Frühsommertag mit prächtigem Blick über die Hügel des Vulkan- und Thermenlandes. Dass er als der ältere von zwei Brüdern die Leitung der Liechtenstein'schen Gutsverwaltung übernehmen würde, stand gemäß Familientradition von vornherein fest.

Eine spezielle betriebswirtschaftliche Vorbereitung gab es nicht. "Das kleine Einmaleins, dabei war ich in Mathematik sehr schlecht. Aber ich kann mich erinnern, wie ich schon mit 14 bei irgendwelchen Verhandlungen dabeisaß und zuhörte. Das ergibt sich dann als Selbstverständlichkeit, man wächst hinein."

Burgherr mit 30

Mit 30 war es so weit. 2009 wurde der Prinz Burgherr und damit auch Chef eines großen Wirtschaftsbetriebes. 24 Angestellte im Saisonbetrieb von April bis Oktober, rund 80.000 Besucher im Jahr. Und warum auch noch Arzt? Ein Studium war ebenfalls familiäre Pflicht. "Ich wollte Archäologie studieren, aber meine Mutter meinte, es muss was Gscheites sein." Nach anfänglicher Skepsis habe ihn dann "die Begeisterung für die Medizin gepackt". Das Vertretungsmodell sei gut mit dem heimatlichen Betrieb kombinierbar. "Und, wie ich glaube, auch für viele Arztkollegen der Region eine sehr angenehme Variante."

Bereut hat Liechtenstein seinen Worten zufolge bisher weder das eine noch das andere. Als Chef auf der Riegersburg setzt er auf Teamarbeit, hat Marketing und Gesamtauftritt der Burg modernisiert. Ab Ende April zeigt sich die vielbesuchte Hexenausstellung zum 30-Jahr-Jubiläum in neuer, erweiterter Form einschließlich besonderer Schaustücke. Dabei wird in einer Art Zeitreise auch der Bezug zur Gegenwart und jenen Ländern weltweit hergestellt, in denen noch immer Folter und andere Formen von Gewalt gegen "Hexen" und andere Außenseiter praktiziert werden.

Nicht weniger spannend empfindet der Burgchef seine Rolle als Mediziner. Vor allem, wenn er dabei inkognito bleibt, was zumeist der Fall ist. "Denn man ist schon irgendwie in einer Schublade. Man hat zufälligerweise eine Burg, das erfüllt dann Vorurteile. So aber treten einem die Menschen doch anders gegenüber. Und das ist ganz lustig."

"Man könnt's ja versuchen"

Wie er den südoststeirischen Menschenschlag beurteile, nach seinen Erfahrungen als Burgherr und Arzt? "Bei allen Vorbehalten gegenüber Klischees würde ich sagen, der Südoststeirer ist ein ungeheuer charmanter, sehr einfallsreicher, warmherziger, etwas unzuverlässiger und manchmal auch ein bisschen berechnender Charakter."

Also eine gewisse Bauernschläue? Ja, aber das sei nicht zu verallgemeinern, sagt der Prinz und Doktor: "Das ist aus meiner speziellen Situation heraus zu interpretieren, sowohl bei Patienten, die mich kennen, als auch bei Leuten, die wirtschaftlich mit mir zu tun haben. Da kommt es dann zu Momenten, wo man spürt, das Gegenüber denkt sich: Na, man könnt's ja versuchen."

Vergleichbares spiele sich in den Ordinationen ab: "Mit Patienten zu handeln, macht mir ungeheuren Spaß. Ob es vielleicht doch noch ginge, diese und jene Parameter etwas weiter zu dehnen, um das schöne Leben noch etwas länger genießen zu können. Ich sage dann: Sie können alles machen, was Sie wollen. Aber es geht um Ihre, nicht um meine Gesundheit." Grundsätzlich seien die Menschen in der Region offen. "Aber es braucht sicher lange, um wirklich tiefe Freundschaften zu knüpfen."

Für einen Prinzen möglicherweise noch ein bisschen länger. Als Staatsbürger des Fürstentums Liechtenstein trägt Emanuel den Titel jedenfalls auch in der Republik Österreich ganz legal. Fürst Hans-Adam II. von Liechtenstein (er hat die Regierungsgeschäfte an Erbprinz Alois abgegeben) ist ein Onkel zweiten Grades.

Emanuel, in Österreich geboren und aufgewachsen, erhielt die liechtensteinische Staatsbürgerschaft nach damaliger Gesetzeslage automatisch über seinen Vater. Irgendwann wollten die Eltern für ihn die österreichische Staatsbürgerschaft beantragen. "Aber angesichts der bürokratischen Hürden haben sie sich gedacht: Was soll's?"

Monarchische Träume

Heute weht an den Aufgängen zur Riegersburg die blau-rote Flagge Liechtensteins mit Fürstenkrone. Keine österreichische, keine steirische, keine EU-Fahne. Eine bewusste Demonstration? Nein, eher ein Markenzeichen, sagt der Prinz, eine Art touristisches Alleinstellungsmerkmal.

Und wie definiere er sich selbst? Die Antwort kommt blitzschnell: "Als Steirer." Nachsatz: "Nicht als Österreicher." Liechtenstein macht kein Hehl daraus, dass er ein Anhänger der konstitutionellen parlamentarischen Monarchie ist. Die garantiere eine gewisse politische Stabilität und sei auch volkswirtschaftlich lukrativ, wie das britische Beispiel zeige, sagt der Prinz.

Emanuel Liechtenstein bringt sich auch in das laufende südoststeirische Projekt Tourismusvision 2030 ein. Seine Vision: "Wir brauchen einen viel besseren, geeinten Auftritt nach außen." Der südoststeirische Tourismus bediene den süddeutschen Raum höchstens punktuell, die Schweiz fast überhaupt nicht – und die Schweizer seien "leidenschaftlich gerne hier, weil wir für sie, vor allem wegen des Wechselkurses, ein Billigtourismusland sind".

Desgleichen mache sich die Region in Norditalien rar, und über den Osten Europas wolle er gar nicht reden. "Wenn wir diese Aufgaben geeint angehen würden, könnten wir leicht noch einmal fünfzig Prozent Steigerung lukrieren", glaubt der Prinz. Damit wäre man "noch lange nicht beim Massentourismus, wie auf der südsteirischen Weinstraße". Doch würden neue Jobs geschaffen und Zuzug in die Region generiert.

Kommunale Realität

Was die Liechtensteiner in Riegersburg betrifft, könnte man fast von einer konstitutionellen Monarchie auf Gemeindeebene sprechen. Der Prinz ist Obmann des örtlichen Tourismusvereins. "Das haben sie mir vor eineinhalb Jahren aufoktroyiert." Bedeutet das, dass er von den Einheimischen als einer der ihren akzeptiert wird? "Dadurch, dass ich als Erster aus der Familie im Ort aufgewachsen und in die Volksschule gegangen bin und die Leute kenne, ist es leichter geworden. Schon noch ein bissl Alien, aber nicht mehr so schlimm."

Apropos Alien. In der neu ausgerollten Hexenausstellung wird auch das Skelett eines geräderten Delinquenten aus dem 17. Jahrhundert gezeigt. Dessen Überreste wurden vor drei Jahren im Murtal von einem Archäologenteam geborgen, medizinisch untersucht und wieder zusammengefügt. Anhand der Verletzungen konnte man zweifelsfrei auf die damals gängige Hinrichtungsart schließen. Ein makaberes Schaustück, doch passend für eine Burg mit schillernder Vergangenheit – geführt von einem verhinderten prinzlichen Archäologen und praktizierenden Arzt. (Josef Kirchengast, 22.4.2017)