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Judith Butler entlarvte den Mann-Frau-Antagonismus als definitiv konstruiert.

Foto: APA / epa / Frank Ürumpenhorst

Lang, lang ist's her, da lebte die Menschheit im tröstlichen Bewusstsein primitiver Gewissheiten: Die Sonne geht im Osten auf, im Westen geht sie unter; Wasser fließt bergab; Steine fallen auf den Boden; manche Menschen haben Vaginen, andere Penisse, daher nennt man auch die einen anders als die anderen ("Frauen" bzw. "Männer").

Dann allerdings wurden alle klüger. Wenn es eine triumphale philosophische Haupterkenntnis des vergangenen halben Jahrhunderts gibt, dann ist es die, dass solche vermeintlich evidenzgestützten und als naturwüchsig präsentierten Ansichten in Wahrheit "konstruiert" sind. Und zwar aus schlechten, weil machtversessenen Antrieben! Frühes Epizentrum dieser Einsicht war Frankreich mit fröhlichen Wissenschaftern wie Deleuze, Foucault, Derrida und Barthes. Bald aber eroberte die dekonstruktivistische Denkweise auch die US-Universitätslandschaft, mit prägenden Figuren wie Judith Butler etwa, die, obwohl dies vielen als kontraintuitiv erschien, den Mann-Frau-Antagonismus als definitiv konstruiert entlarvte.

Diese Woche hat der amerikanische Literaturstudent und Journalist Casey Williams einen Artikel mit sehr ketzerischem Inhalt in der "New York Times" publiziert. Williams meint nämlich, das notorische Dauerenthüllen, dass dieses und jenes "konstruiert" sei, habe keineswegs progressive gesellschaftliche Ergebnisse, sondern im Gegenteil Figuren wie Donald Trump hervorgebracht, die aus der "Konstruiertheit" ihrer Behauptungen kein Hehl machen. Anders und weniger geschwollen formuliert: Sie setzen sich über alles, was man Wahrheit nennen könnte, nonchalant hinweg, lügen, wann und wo es ihren passt.

Poster Larry Dickman schrieb unter diesen Artikel: "Foucault ist tot. Im Wortsinn. Die Einsichten, die uns das relativistische Denken eröffnet hat, sollten nicht dazu führen, dass wir das Konzept der ,Wahrheit' gänzlich über Bord werfen. Sie ist keine soziale Konstruktion. Gewehre und Bomben töten. Und Präsidenten befehlen, dass man sie gebraucht." (Christoph Winder, 23.4.2017)