Wien – "Ich denke, dass Europa und die Welt das Problem anders nicht in den Griff kriegen werden." Das Problem ist für Bundeskanzler Christian Kern jenes der Flüchtlinge, die nach Europa wollen. Die Lösung, von der er im Interview mit der "Presse am Sonntag" spricht, sind Flüchtlingscamps außerhalb Europas.

Einsatz für Bundesheer

Befragt zur Forderung von Innenminister Wolfgang Sobotka, Europa müsse nach der Balkan- auch die Mittelmeerroute schließen, sagt Kern zur "Presse": "Die EU sind wir selbst. Und wenn wir das fordern, müssen wir klar sagen, was unser Beitrag ist. Sind wir bereit, hohe Millionenbeträge in die Hand zu nehmen, um außerhalb Europas Flüchtlingscamps zu bauen, in denen menschenwürdige Bedingungen herrschen?" Er stelle nicht nur diese Frage in den Raum, sondern auch eine zweite: "Sind wir bereit, unsere jungen Männer dorthin zu schicken – zur Verteidigung dieser Camps? Wir wissen ja, über welche Staaten wir da reden: Libyen, Senegal, Mali, auch Afghanistan."

Kerns Meinung nach würden "Europa und die Welt das Problem anders nicht in den Griff kriegen". Und Strukturen aufzubauen habe einen Preis: "Einen finanziellen, aber wahrscheinlich auch einen militärischen." Ob österreichische Soldaten Flüchtlingscamps in Afrika und Asien bewachen sollen, "müssen wir diskutieren", sagt der Kanzler. "Wenn sich Europa dazu entschließt, werden wir auch einen substanziellen Beitrag leisten müssen. Nicht zwingend einen militärischen. Aber wer die Mittelmeerroute schließen will, muss bereit sein, diese Frage zu beantworten."

Kern in Nahost

Ab Sonntag hält sich Kern selbst im Nahen Osten auf, wo er Israel und Palästina besucht. In Jerusalem wird er mit dem israelischen Präsidenten Reuven Rivlin sowie Oppositionschef Yitzhak Herzog zusammenkommen. In Ramallah soll es ein Gespräch mit dem palästinensischen Regierungschef Rami Hamdallah geben. Im Laufe seiner bis Dienstag dauernden Reise wird Kern auch mit dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Avigdor Lieberman zusammenkommen. Zudem ist ein Treffen mit Holocaust-Überlebenden sowie ein Besuch der Gedenkstätte Yad Vashem vorgesehen. (APA, 22.4.2017)