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Seit Wochen gehen zehntausende Mazedonier auf die Straße, um gegen die Einführung von Albanisch als Amtssprache zu demonstrieren. Im Hintergrund geht es um den Machterhalt der Regierungspartei.
Skopje/Sarajevo – Die EU beschimpft er als "impotent und machtlos". Die Zeiten der "Pax Americana" auf dem Balkan seien vorbei. Seit dem 1. März verweigert der mazedonische Präsident Gjorge Ivanov dem Chef der sozialdemokratischen oppositionellen Partei SDSM, Zoran Zaev, das Mandat zur Regierungsbildung, obwohl diese im Parlament gemeinsam mit den Albaner-Parteien über eine Mehrheit verfügt. Er stellt sich damit parteiisch hinter die bisher regierende VMRO-DPMNE und missachtet alle demokratischen Spielregeln.
Dabei sollte der 56-jährige Jurist wissen, was Rechtsstaatlichkeit bedeutet, er unterrichtet sogar politische Theorie an der Uni in Skopje. Vor einem Monat fuhr EU-Kommissar Johannes Hahn nach Skopje, um ihn zur Einsicht zu bringen. Doch Ivanov verweigerte sogar das Gespräch mit ihm. Auch EU-Ratspräsident Donald Tusk reiste danach vergeblich an. Ivanov betonte, er werde von seiner Entscheidung nicht abrücken.
Seit Wochen finden beinahe täglich Massenproteste von Anhängern der VMRO statt, die einen Machtwechsel verhindern wollen. Der Hauptgrund: Gegen zahlreiche hochrangige Regierungsmitglieder, aber auch gegen Beamte wird in 16 Verfahren der Sonderstaatsanwaltschaft ermittelt.
Angst vor dem Gefängnis
Die Angst der bisherigen politischen Elite, im Gefängnis zu landen, ist also sehr groß. Der Politiker Ivanov ist zu einem Erfüllungsgehilfen des ehemaligen Premiers Nikola Gruevski geworden, gegen den auch ermittelt wird und der die VMRO führt.
Unterstützung erhält er von der Regierung in Moskau, der großen Mehrheit der Medien und von vielen NGOs. Die VMRO hat ein Narrativ aufgebaut, wonach eine Regierung unter der Führung der sozialdemokratischen Opposition verhindert werden müsse, um den Staat zu retten. Dazu wird das Feindbild einer "albanischen Plattform" bemüht, die angeblich die Interessen des Landes unterwandern wolle. Tatsächlich haben sich mazedonische Albaner-Parteien nach der Wahl am 11. Dezember 2016 im Nachbarland Albanien getroffen und Bedingungen für die gemeinsame Unterstützung einer Regierung erarbeitet.
Neben der Gleichstellung der albanischen Sprache als Amtssprache forderte man auch, dass die Albaner – etwa ein Viertel der Bevölkerung – als staatsbildendes Volk in der Verfassung genannt werden und dass über Flagge, Hymne und Wappen debattiert werden solle, um die "Multiethnizität" des Landes zu reflektieren.
Der Sozialdemokrat Zaev hatte sich später in Verhandlungen mit den Albaner-Parteien bereiterklärt, die Sprachenrechte für Albaner auszuweiten, die Änderung von Flagge und die Hymne sind aber vom Tisch. Die Strategie der VMRO ist eigentlich leicht zu durchschauen: Denn die Proteste gegen die "Tirana-Plattform" starteten erst viele Wochen nach dem Treffen in Tirana, genau dann nämlich, als die Opposition für die Regierungsbildung bereit war.
Zunehmende Instabilität
Angesichts des politischen Patts und der Tatsache, dass es keine neue Regierung gibt, wird die Lage immer instabiler. Kürzlich drohte der Staatschef in der "Wiener Zeitung" dem Oppositionschef Zaev sogar an, dass dieser im Gefängnis landen werde. Ivanovs Verständnis von Rechtsstaat ist nicht neu: Vor einem Jahr erließ er eine Amnestie für 56 Politiker und Mitarbeiter, mit der er die Machtclique in der VMRO schützen wollte. Nur nach großem Druck zog er die Amnestie zurück.
Die Geduld der EU und der USA mit Skopje ist nach zweijährigem intensivem Engagement nun zu Ende. Sanktionen gegen Ivanov und Gruevski müssten allerdings von den EU-Staaten beschlossen werden – Ungarn und Polen sind dagegen. Möglich wäre nun, EU-Gelder zu sperren und dass das Europäische Parlament die Unterstützung für die EU-Perspektive zurückzieht. (Adelheid Wölfl, 24.4.2017)