Paris – Der Parteilose Emmanuel Macron und Marine Le Pen, Chefin des rechtsextremen Front National, ziehen nach dem ersten Wahlgang der französischen Präsidentschaftswahl in die Stichwahl. Macron kommt nach Auszählung aller Stimmen dem Innenministerium zufolge auf 23,9 Prozent. Dahinter liegt Le Pen mit 21,4 Prozent, gefolgt von dem konservativen Kandidaten François Fillon mit 19,9 Prozent und dem Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon mit 19,6 Prozent. Bis zum frühen Montagmorgen waren 97 Prozent der Stimmen ausgezählt. Es fehlten nur noch Stimmen von Auslandsfranzosen.

Macron sagte bei seiner Siegesrede, er wolle ein Präsident sein, der verändert, der Innovationen voranbringt, der hilft. "Jenen, die weniger haben, die es schwer haben." Es gehe nicht darum, in zwei Wochen gegen jemanden zu stimmen. Sondern mit einem System zu brechen, das über dreißig Jahre unfähig war, die Probleme des Landes zu lösen. Macron griff Le Pen nicht an, sondern sprach die Hoffnung und den Optimismus "für unsere Nation" an. Die positiven Töne seiner Kampagne sollten auch am Wahlabend überwiegen.

FRANCE 24

Macron richtet nach seinem Einzug in die Stichwahl bereits seinen Blick auf die Parlamentswahl. Er wolle schon morgen damit beginnen, eine parlamentarische Mehrheit aufzubauen, um nach der Parlamentswahl in Juni regieren zu können, sagte Macron.

"In einem Jahr haben wir das Gesicht der französischen Politik verändert", sagte der Anführer der bisher nicht im Parlament vertretenen parteiunabhängigen Bewegung En Marche! (Vorwärts). Er wolle der Präsident der Patrioten gegen die Bedrohung der Nationalisten sein, und er wolle das europäische Projekt neu starten.

Le Pen am Sonntag.
Foto: imago/PanoramiC

Le Pen hat ihren Einzug in die Stichwahl als ein "historisches Ergebnis" bezeichnet. "Es stellt mich vor die enorme Verantwortung, die französische Nation zu verteidigen, ihre Einheit, ihre Sicherheit, ihre Kultur, ihren Wohlstand und ihre Unabhängigkeit", sagte Le Pen am Abend vor Anhängern ihrer Partei. Sie werde Frankreich gegen "die zügellose Globalisierung verteidigen, die unsere Zivilisation in Gefahr bringt", sagte Le Pen. Nun sei es an der Zeit, dass das französische Volk die "Fesseln einer arroganten Elite" abschüttele. Sie sei "die Kandidatin des Volkes".

Mehr als 7,6 Millionen Franzosen stimmten für Le Pen. Das sind deutlich mehr als die 6,8 Millionen Stimmen, die der Front National landesweit in der zweiten Runde der Regionalwahlen 2015 bekam – der bisherige Stimmenrekord der rechtsextremen Partei. Mit 21,5 Prozent schnitt Le Pen auch prozentual besser ab als bei ihrer ersten Präsidentschaftskandidatur 2012 (17,9 Prozent, 6,4 Millionen Stimmen).

In ihrer Heimatgemeinde hat Le Pen zwar gewonnen, die absolute Mehrheit dort aber verfehlt. Nach Zahlen des französischen Innenministeriums vom Sonntagabend holte die 48-Jährige im nordostfranzösischen Hénin-Beaumont 46,5 Prozent.

FRANCE 24

Am 7. Mai werden damit der Proeuropäer Macron und die EU-Gegnerin Le Pen in der Stichwahl gegeneinander antreten. Die meisten Wahlverlierer riefen am Sonntagabend zur Wahl Macrons auf. Das galt für den unterlegenen Sozialisten Benoît Hamon, der mit rund sechs Prozent ein klägliches Resultat erzielte, aber auch für Fillon. Der sichtlich gezeichnete Konservative rief dazu auf, Macron zu wählen, und sagte: "Es gibt keine andere Wahl, als gegen die extreme Rechte zu stimmen." Auch Noch-Präsident François Hollande sagte am Montag, er werde Macron wählen. Le Pen sei ein "Risiko für Frankreich", erklärte Hollande.

Die EU-Kommission hat die Glückwünsche und Unterstützung von Präsident Jean-Claude Juncker für Macron verteidigt. Auf die Frage, warum die Kommission erstmals von ihrer Haltung abgewichen sei, keine Stellungnahme zwischen zwei Wahlgängen abzugeben, sagte ein Sprecher am Montag, hier sei es "einfach" gewesen.

Jean-Luc Mélenchon hat keine Empfehlung für den zweiten Wahlgang der französischen Präsidentschaftswahl abgegeben. Er wolle die 450.000 Personen befragen, die seine Kandidatur unterstützt hatten, sagte Mélenchon am Sonntagabend. Das Ergebnis dieser Befragung werde dann veröffentlicht.

Emmanuel Macron geht als erster in die Stichwahl.
Foto: AFP

Zur Wahl Macrons rief auch der sozialistische Premierminister Bernard Cazeneuve auf. Dass sich ein amtierender Regierungschef in den Wahlabend einschaltete und eine Wahlempfehlung abgab, dürfte noch für Diskussionen sorgen; auch dies zeigt aber, wie sehr sich das "republikanische" Frankreich nun um einen Schulterschluss gegen den Front National bemüht.

Umfragen sehen Macron gegen Le Pen klar vorn

Für die zweite Runde der französischen Präsidentschaftswahl in zwei Wochen sehen zwei Umfragen Macron klar vor Le Pen. In einer Befragung des Instituts Harris Interactive vom Sonntagabend lag Macron bei 64 Prozent, Le Pen bei 36 Prozent. Das Institut Ipsos sah den europafreundlichen Macron für die Stichwahl bei 62 Prozent und die Front-National-Chefin bei 38 Prozent.

Wahl im Ausnahmezustand

Der erste Wahlgang fand wegen der Wahlchancen Le Pens, aber auch nach dem jüngsten Terroranschlag in Paris internationale Beachtung. Die Regierung hatte insgesamt 50.000 Sicherheitskräfte mobilisiert, um in den 67.000 Wahllokalen Zwischenfälle zu vermeiden. Polizeiwagen patrouillierten mit eingeschaltetem Blaulicht, wenn auch ohne Sirenen, den ganzen Tag in den städtischen Vierteln.

In mehreren französischen Städten kam es am Abend noch zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Zwischenzeitlich seien 143 Menschen vorläufig festgenommen worden, sagte ein Sprecher der Polizeipräfektur am Montag. Ungefähr 300 Menschen folgten Sonntagabend einem Aufruf antifaschistischer und antikapitalistischer Bewegungen und kamen am Sonntag auf dem Pariser Bastille-Platz zusammen. Einige der Versammelten warfen Flaschen und Knaller auf in großer Zahl anwesende Polizisten. Drei Personen wurden von den Sicherheitskräften festgesetzt. Zwei Menschen wurden verletzt. Die Polizei habe Tränengas eingesetzt, sagten Teilnehmer. Auf der Demonstration wurde "weder Macron noch Le Pen" skandiert.

Kern zufrieden

Bundeskanzler Christian Kern geht davon aus, dass Macron die Wahl in zwei Wochen gewinnt. Es sei auch für Europa wichtig, dass sie deutsch-französische Achse wieder in Schwung komme. Seiner Ansicht nach habe Marine Le Pen ihr Potenzial weitgehend ausgeschöpft. (brä, afs, red, APA 23.4.2017)