Japans Premier Shinzo Abe ist wegen Nordkorea in Sorge.

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Am Dienstag erreichte das US-Atom-U-Boot "Michigan" den südkoreanischen Hafen Busan

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Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg bereitet Japans Regierung die Bevölkerung auf einen Kriegsfall vor. Der Zivil- und Katastrophenschutz veröffentlichte Verhaltensregeln für einen nordkoreanischen Raketenangriff. Kritikern zufolge könnte Premier Shinzo Abe dabei auch Stimmung für sein Projekt machen, Japans pazifistische Verfassung abzuschaffen, um den Streitkräften mehr Einsatzmöglichkeiten zu geben. Man werde die Japaner über Sirenen und Notfall-Mails über eine Raketenattacke alarmieren, teilte der Zivilschutz mit.

Wenige Tage zuvor hatte Abe vor einem Giftgasangriff gewarnt: "Die Sicherheitslage spitzt sich zu. Womöglich ist Nordkorea bereits in der Lage, Raketen mit Sarin (ein Giftgas) abzuschießen."

Die japanische Marine hatte schon kürzlich gemeinsam mit Südkorea und den USA den Abschuss nordkoreanischer Raketen an Japans Westküste geprobt: "Dies ist eine Übung. Eine Rakete wurde abgeschossen", schallte es etwa in der Pause über den Schulhof der Volksschule von Oga. Kinder und Lehrer warfen sich zu Boden, dann sprangen alle auf und rannten in die Sporthalle. Schließlich kam die Entwarnung: "Die Rakete ist 20 Kilometer vor der Küste ins Meer gefallen."

Die Kriegsrhetorik macht viele Japaner nervös. Im April verzeichnete die Webseite des Zivilschutzes an einzelnen Tagen so viele Aufrufe wie sonst in einem ganzen Monat. Die Zahl der beim Außenamt registrierten Auslandsjapaner verdoppelte sich schlagartig, nachdem für den Fall eines neuen Koreakrieges die Evakuierung aller Japaner aus Südkorea angekündigt wurde.

Die aktuelle Atmosphäre dürfte die bisher große Zustimmung der Bevölkerung für die Pazifismus-Klauseln der Verfassung abschwächen. Das spielt Premier Abe in die Hände: Er will Japan durch eine Verfassungsreform zu einem "normalen" Land machen. Eine Zuspitzung um Nordkorea könnte ihm dabei helfen, etwa über vorgezogene Neuwahlen, eine Zweidrittelmehrheit für seine Verfassungsänderungen zu bekommen.

"Neue Bedrohung"

Bisher verbietet Artikel 9 der Verfassung Japan das Recht auf Kriegsführung. Doch Nordkorea hat laut Regierung eine "neue Stufe der Bedrohung" gebracht, erklärte Ex-Verteidigungsminister Itsunori Onodera. Man brauche neue militärische Optionen – etwa die Stationierung des US-Raketenabwehrsystems THAAD in Japan und das Recht auf einen Präventivschlag gegen Nordkorea.

Nordkorea stand auch im Mittelpunkt von Telefonaten von US-Präsident Donald Trump am Montag mit Abe und mit Chinas Präsident Xi Jinping. (Martin Fritz aus Tokio, 24.4.2017)