Wirkstoffe der Hanfpflanze werden bereits für Medikamente verwendet. Ob der "Joint auf Rezept" sinnvoll wäre, sei laut Psychiater fraglich.

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"Fakt ist, dass Cannabis eine eindeutig suchterzeugende Substanz ist. Ich kann mich nur wundern, wenn selbst manche Mediziner das immer wieder zu negieren versuchen. Deshalb bin ich derzeit strikt gegen eine Freigabe über die medizinische Anwendung hinaus", sagt Wolfgang Fleischhacker von der Medizinische Universität Innsbruck bei einer Pressekonferenz zur Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie. Bedingt durch die kürzlich in Deutschland erfolgte Legalisierung von Cannabisprodukten für medizinische Zwecke wird dieses Thema auf der ÖGPP-Tagung diskutiert.

Kaum Kenntnisse über Nebenwirkungen

In Österreich ist die Verwendung von Cannabisblüten oder -harz (Marihuana bzw. Haschisch) weiterhin verboten. Es gibt zugelassene Medikamente, die den Wirkstoff THC (Tetrahydrocannabinol) enthalten. Diese werden etwa zur Muskelentspannung bei Multipler Sklerose, zur Appetitsteigerung bei Krebspatienten oder in der Schmerzmedizin eingesetzt. "Der Vorteil dieser Medikamente ist, dass sie nur bekannte Inhaltsstoffe enthalten, während in der Pflanze weit über 100 weitere stecken, über deren Wirkung und Nebenwirkung wir kaum Bescheid wissen", so Fleischhacker.

"Es ist schon allein aus diesem Grund fraglich, ob wir den vielzitierten ‚Joint auf Rezept‘ wirklich brauchen. Umso mehr, als bislang selbst die Wirkung der pharmazeutischen Präparate nur unzureichend untersucht und nachgewiesen wurde. Es scheint es so zu sein, dass es tatsächlich Patientengruppen gibt, wo eine Verschreibung gerechtfertigt erscheint." Um das endgültig zu beurteilen, bedürfe es aber noch weiterer und auch substanziellerer Studien.

Für Jugendliche besonders gefährlich

Es sei noch zu wenig bekannt, wie sich eine Legalisierung auf das Gesundheitsverhalten auswirken würde. "Was uns dabei besonders interessieren muss, ist welchen Einfluss eine Legalisierung auf das Verhalten von Kindern und Jugendlichen hat. Eine Freigabe würde zweifelsohne dazu führen, dass die Verfügbarkeit und Alltagspräsenz dieser Drogen steigt. Wir wissen aus zahlreichen Studien, dass der immer noch oft als harmlos beschriebene Cannabis-Konsum insbesondere in jungen Jahren wirklich gefährlich werden kann", so Fleischhacker.

Jugendliche, die regelmäßig hohe Dosen rauchen, leiden deutlich öfter unter Angststörungen und Depressionen. Das Risiko später an einer Schizophrenie zu erkranken steigt gar um das Vierfache – und das selbst dann noch, wenn sie irgendwann wieder ganz mit dem "Kiffen" aufhören.

Therapie statt Strafe

"Mit der Legalisierung von Hanfprodukten würden wir letztlich die Büchse der Pandora öffnen", ist Fleischhacker überzeugt. Eine Unterscheidung in sogenannte schwere und leichte Suchtmittel sei aus medizinischer Sicht nämlich nicht gut haltbar. "Egal ob Alkohol, Cannabis oder Heroin: Welche Gefahr von einem Suchtmittel ausgeht, hängt nicht nur von seinen Inhaltsstoffen sondern ebenso davon ab, wie verfügbar es ist, auf welche Persönlichkeit es trifft und unter welchen gesellschaftlichen Grundbedingungen es konsumiert wird." So gesehen wäre nach einer Cannabis-Legalisierung wohl auch die Freigabe aller anderen jetzt noch illegalen Drogen naheliegende Konsequenz.

"Trotzdem befürworte ich die Entkriminalisierung von Cannabis-Konsum", sagt Fleischhacker. "Eine gerichtliche Verurteilung, nur weil jemand einen Joint geraucht hat, bedingt unter Umständen schwerwiegende Folgen für die weitere Lebensgestaltung. Gleichzeitig wissen wir, dass die damit verbundene Hoffnung auf eine generalpräventive Wirkung unrealistisch ist. Zudem bedürfen Konsumenten von Suchtmitteln Beratung und allenfalls Therapie statt Strafe." (red, 25.4.2017)