Demokratie als Regierungsform hat weiter einen starken Rückhalt in der Bevölkerung, aber autoritäre Einstellungen haben in den vergangenen zehn Jahren deutlich zugenommen. Dahinter stehen gesellschaftliche Unsicherheitserfahrungen und -gefühle sowie ein Verlust an Vertrauen in die Institutionen. Der Beginn des Anstieges autoritärer Einstellungstendenzen geht auf die Finanzmarkt- und Bankenkrise aus den Jahren 2007 und 2008 zurück. Viele Menschen haben nicht nur das Vertrauen in das Wirtschaftssystem verloren, sondern glauben auch nicht, dass die Politik die Wirtschaft so steuern kann, dass eine Mehrheit davon profitiert. Die Wahrnehmung von Ungerechtigkeit und die Unzufriedenheit mit politischen Parteien und Institutionen haben deutlich zugenommen.

Folgende sechs Thesen zur Stärkung der Demokratie möchten wir dazu zur Diskussion stellen:

· Bildungspolitik: Bildung spielt eine wichtige Rolle für die Demokratie. Die Schule kann politische Kompetenzen stärken, also die Kompetenzen, sich zu informieren, zu diskutieren und mitzuwirken. Diese Funktion spielt in unterschiedliche Unterrichtsfächer hinein und sollte in den laufenden Bildungsreformen als Ziel gestärkt werden.

· Geschichtsbewusstsein: Die Reflexion der Zeitgeschichte stärkt nachweislich die demokratische politische Kultur, die Fähigkeit zum konstruktiven Umgang mit Konflikten und Differenzen. Dieses Potenzial kann genutzt werden, indem der Unterricht der Zeitgeschichte vor allem auch jenseits der Universitäten und höheren Schulen gestärkt wird.

· Politische Institutionen: Die politischen und politiknahen Institutionen müssen ihre Beziehungen zu den Bürgern laufend und immer wieder überprüfen: Wo ist es möglich und sinnvoll, Mitwirkung zu ermöglichen oder zu stärken, wo gilt es das eigene Image zu verbessern, wo kann Vertrauen (zurück)gewonnen werden?

· Medien: Die Medien befinden sich gemeinsam mit dem politischen System in einer Vertrauenskrise. Zugleich hat die Art und Weise, wie Medien über Politik, Diskurs und Kompromisse sowie das Zusammenspiel der Institutionen berichten, einen wesentlichen Einfluss auf die politische Kultur. Öffentliche Diskussionen als Streit und Kompromisse als Stillstand zu ettikettieren, positive Veränderungen herunterzuspielen bedeutet, der illiberalen Demokratie Vorschub zu leisten und das Bedürfnis nach einen starken Mann, der keine Kompromisse machen muss, zu stärken. Medien müssen Wege suchen, wie sie ihre Kontrollfunktion wahrnehmen können, ohne die Demokratie zu schädigen, und wie sie selbst das Vertrauen in ihre Arbeit – die nur auf demokratischer Grundlage funktioniert – erneuern können.

· Die Bürger: Politik ist oft kompliziert und anstrengend. Dennoch hängt es letztlich von den Bürgern, ihren Diskussionen und Handlungen ab, wie sich unsere Demokratie weiterentwickelt: Das Zusammenspiel von Regierung und Opposition, die "checks and balances", das Verhältnis von Gerichten und Exekutive, Medien und Politik, von Allmacht und Kompromiss – über all das soll man nachdenken und sich eine differenzierte Meinung bilden.

· Kränkungen, vor allem durch zunehmende Ungerechtigkeit der Gesellschaft, aber auch durch mangelnde Wertschätzung und Respekt, zeigt die Forschung, haben eine starke negative Wirkung auf die politische Kultur. Alle, die Demokratie unterstützen und stärken wollen, sind heute auch mit der Frage konfrontiert, wie soziale Gerechtigkeit, Wertschätzung und Respekt in der Gesellschaft gestärkt werden können. (Günther Ogris, 25.4.2017)