Wien– Als Burgtheater im November 1985 in Bonn uraufgeführt wurde, begann eine Welle der Empörung auf Elfriede Jelinek niederzugehen. Die Zeit schrieb über das Theaterstück: "Zutiefst verletzt es die Gefühle aller anständigen Menschen. Ein eindeutig anti-österreichisches Machwerk, verfaßt (wie könnte es anders sein) von einer eindeutig österreichischen Autorin."
Jelinkes Ruf als "Nestbeschmutzerin" wurde daraufhin manifestiert. Journalisten, Theatermacher und Leserbriefschreiber empörten sich über die Hauptfiguren der Posse, namentlich das beliebte österreichische Schauspielerehepaar Paula Wessely und Attila Hörbiger, sowie dessen Bruder Paul Hörbiger. Jelinek thematisiert in Burgtheater die "Mittäterschaft" und moralische Verantwortung von Schauspielern im Nationalsozialismus, was als Skandal gewertet wurde.
Nazimief im Burgtheater
Im Stück sitzen drei Burgtheaterschauspieler am Tisch, liebevoller Umgang kippt abrupt in sinnlose Grausamkeit. Und dazwischen immer wieder der hochsteigende Nazimief.
Paula Wessely, Attila und Paul Hörbiger gehörten zu den Lieblingen der österreichischen Theater- und Filmlandschaft, das Paar pflegte angeblich gute Kontakte zu Hitler. Wessely spielte 1941 im Propagandafilm Heimkehr die Hauptrolle, Goebbels schrieb daraufhin in sein Tagebuch, eine Szene daraus mit Wessely sei "das beste, was je im Film gedreht worden ist". Gleichzeitig setzte sich das Paar bei der NS-Spitze oft erfolgreich für seine jüdischen Freunde ein.
Die Forschungsplattform Elfriede Jelinek widmet Burgtheater eine interdisziplinäre Veranstaltungsreihe. So soll das Stück, das in Österreich nur einmal in Graz aufgeführt wurde, einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt werden. Die Literaturkritikerin Sigrid Löffler spricht im Vestibül über die Kampagne gegen Jelinek, die damals vor allem FPÖ und die Kronen Zeitung betrieben. Zum Gespräch über Künstler in Diktaturen sind der Historiker Oliver Rathkolb und Cornelius Obonya, Enkelsohn von Wessely und Hörbiger, eingeladen.
Den Mythos Burgtheater diskutieren Roland Koberg, der ein Buch über Jelinek geschrieben hat, und der Burgschauspieler Markus Meyer. Auch die Komik in Burgtheater wird thematisiert, unter anderem widmet sich der Schriftsteller Doron Rabinovici der Frage: Ist Lachen über die NS-Zeit angebracht? (Eva Walisch, 25.04.2017)