Schon wieder: Mit der Angst, dass wachsender Antisemitismus in Österreich und insgesamt in Europa zu Angriffen gegen Juden führt, ist Bundeskanzler Christian Kern bei seinem Staatsbesuch in Israel überall konfrontiert worden. Sowohl Staatspräsident Reuven Rivlin und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu als auch die auf rund 30 Personen geschrumpften Holocaust-Überlebenden mit österreichischen Wurzeln verwiesen darauf. Es war auch zentrales Thema beim Holocaust-Gedenktag in Israel, an dem der sechs Millionen ermordeten Juden gedacht wird.

Diese Wortmeldungen spiegeln das wider, was auch die Österreicherinnen und Österreicher jüdischen Glaubens beschäftigt. Die immer dreister auftretenden Identitären, unterschwellige politische Botschaften, kaum verhohlener Antisemitismus in manchen Medienberichten, die Zuwanderung von Muslimen: All das führt zu einem Gefühl der Bedrohung. Der zum Holocaust-Gedenktag veröffentlichte Jahresbericht des Kantor Center in Jerusalem zeigt zwar weltweit einen Rückgang an Gewalttaten, aber gleichzeitig einen "teilweise dramatischen" Anstieg an Hassbotschaften im Internet. Für Österreich weist der Bericht ebenfalls einen Anstieg aus. Laut Forum gegen Antisemitismus haben 68 Prozent der 477 Fälle einen rechtsradikalen Hintergrund, 22 Prozent einen islamistischen.

Garantie für jüdische Bürger

Wann immer Kern in Israel darauf angesprochen wurde, versicherte er, dass dagegen angekämpft werde. Er sprach von einer "Garantie, dass jüdische Bürger nicht im Stich gelassen werden". Tatsächlich wurden Sicherheitsvorkehrungen rund um jüdische Einrichtungen in Österreich in den vergangenen Monaten verschärft. Öffentlich breit diskutiert wird das Thema nicht.

Auch das wird in Israel registriert, genauso wie die in den vergangenen Monaten verstärkten Besuche von FPÖ-Politikern wie Heinz-Christian Strache und Norbert Hofer – inklusive des bekannten Tempelberg-Zwischenfalls. Die FPÖ organisierte in Wien sogar eine Gedenkveranstaltung zum Novemberpogrom 1938 gegen die Juden. Die Nachfolger von Jörg Haider, der noch offen antisemitische Sprüche von sich gab, haben Kontakte zu extrem rechten Politikern in Israel. Ihre proisraelische Politik ist in Wirklichkeit eine antimuslimische. Genau dieser Form der Anbiederung erteilte Präsident Rivlin im Beisein Kerns eine klare Absage: Auch denjenigen, die sich proisraelisch und antiislamisch gäben, würde man in Israel keine Legitimität zubilligen.

Staatsgast bei Gedenkfeier

Wäre Hofer Bundespräsident geworden, hätte es keinen Staatsbesuch in Israel gegeben – schon gar nicht verbunden mit der durch die Verschiebung der Reise ermöglichten Einladung an Kern, als einziger ausländischer Staatsgast an der zentralen Gedenkfeier zum Holocausttag in Yad Vashem teilzunehmen. In den dort vorgetragenen Geschichten der Überlebenden gab es sehr häufig Österreich-Bezüge, genauso im Yad-Vashem-Museum.

Kern hat sich an Franz Vranitzky orientiert, die richtigen Worte gefunden und sich zu den "dunkelsten Kapiteln unserer Geschichte" bekannt. Er verwies auch darauf, dass es Jahrzehnte gedauert habe, ehe sich Österreich seiner Rolle und Mitschuld am Holocaust gestellt habe. Der jüngste Ministerratsbeschluss zum Antisemitismus war ebenfalls ein richtiges Signal. Die Forderung "Wehret den Anfängen", gegen wachsenden Antisemitismus aktiv aufzutreten, nimmt Kern mit. (Alexandra Föderl-Schmid, 25.4.2017)