Hochwertig, robust – und viel komplizierter gebaut, als notwendig: Die Saftpresse Juicero.

Foto: Ben Einstein

Sie war das Liebkind mehrerer Silicon Valley-Investoren. Selbst Google hat zu den Finanzierungsmitteln von 120 Millionen Dollar beigesteuert. Doch die Geschichte der Saftpresse Juicero erlebte kürzlich einen dramatischen Wendepunkt.

Journalisten hatten sich des gehypten Gerätes angenommen und festgestellt, dass das Gerät, das ursprünglich 700 Dollar kostete, praktisch "nutzlos" ist. Es dient zum Auspressen von Säckchen mit Obst- und Fruchtbestandteilen. Der Haken: Diese Säckchen lassen sich auch per Hand leerquetschen, und das mit beinahe der selben Effizienz. Die spät gereifte Erkenntnis führte zu Bestürzung bei den Geldgebern und verärgerten Reaktionen der Kunden.

Während das Start-up in den Schadenbegrenzungs-Modus übergegangen ist und Rückerstattungen anbietet, hat Ben Einstein – seines Zeichens Produktdesigner und auch Investor – eine Juicero-Presse zerlegt und herausgefunden, was das Gerät so teuer macht.

Hochwertige Materialien

Immer noch ist Juicero für eine Saftpresse, insbesondere eine, die eigentlich nur Beutel auspresst, eine kostspielige Angelegenheit. Auch mit 400 Dollar, so der seit einiger Zeit reduzierte Preis, qualifiziert sie sich nicht als Schnäppchen.

Als solches ist sie aber auch nicht designed worden. Hinter ihrem limitierten Funktionsumfang steckt eine ganze Menge technischer Finesse – umgesetzt mit hochwertigen Materialien. Die zwei großen Teile der äußeren Hülle bestehen etwa aus einem widerstandsfähigen Kunststoff, der aufgrund seiner Dicke auch noch schwer zu verbinden ist. Alleine hier wurden acht Überarbeitungen vorgenommen, ehe die finale Version dieser Bauteile fertig war.

Viele eigens angefertigte Komponenten

Während Eigenanfertigungen für die Verschalung nicht unüblich sind, gibt es aber auch noch eine Reihe anderer Komponenten, die von den Entwicklern selber gestaltet wurden. Die Bandbreite reicht vom Netzteil bis hin zur Übersetzung und verschiedener Elektronik.

Insbesondere dies treibt den Preis in die Höhe, weil die Fertigung von Eigenentwicklungen wesentlich teurer zu Buche schlägt, als Komponenten "von der Stange" einzusetzen. Für ein Massenmarkt-Produkt ist dies sehr unüblich.

Viel mehr Technik als nötig

Ein weiterer Faktor ist laut Einstein auch, dass die Designer schlicht "wild geworden" seien und bei der Konstruktion so mancher Mechanismen viel mehr Aufwand betrieben hatten als nötig. Beispielsweise kommen alleine für das Verschließen und Sperren der Tür für das Tüten-Compartment rund 20 verschiedene Bauteile zum Einsatz. Ein Phänomen, für das es im Englischen auch den Begriff des "over-engineering" gibt.

"Versteckt in einer Woche aus schlechten Neuigkeiten für Juicero ist eine Botschaft für Hardware-Start-ups", fasst der Techniker seine Erkenntnisse aus der Zerlegung zusammen. "Unkontrollierte Entwicklung ist tödlich." (gpi, 26.04.2017)