Um abseits von Stimmen der Oppositionsparteien eine Mehrheit zu garantieren, müssen sich zumindest sieben der zehn Grünen-Mandatare für die neue Flächenwidmung am Heumarkt inklusive Wohnturm – und damit gegen das Ergebnis der grünen Urabstimmung – aussprechen.

Rendering: Isay Weinfeld & Sebastian Murr

Wien – Das umstrittene Neugestaltungsprojekt am Heumarkt inklusive 66-Meter-Luxuswohnturm wird immer mehr zu einer Zerreißprobe für die rot-grüne Wiener Koalition. Wie berichtet hat die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou den Mandataren im Gemeinderat die Abstimmung über das Projekt am 1. Juni freigestellt. Die SPÖ hält bei 44 Abgeordneten. Um abseits von Stimmen der Oppositionsparteien eine Mehrheit zu garantieren, müssen sich zumindest sieben der zehn Grünen-Mandatare für die neue Flächenwidmung – und damit gegen das Ergebnis der grünen Urabstimmung – aussprechen.

Der grüne Budgetsprecher Martin Margulies will sich an das Ergebnis der Urabstimmung halten. "Zum jetzigen Zeitpunkt werde ich gegen die Flächenwidmung stimmen", sagt er dem STANDARD. Er wisse von zwei weiteren Mandataren, "die nicht pro sind". Damit gäbe es – sofern alle Gemeinderatsmandatare der SPÖ für und die Opposition geschlossen gegen das Projekt stimmen – nur eine hauchdünne Mehrheit von 51:49 für die Heumarkt-Pläne. Auf Anfrage im grünen Klub will man das nicht bestätigen.

Auch El-Nagashi und Huemer dagegen

Auch von Integrationssprecherin Faika El-Nagashi wird es keine Zustimmung geben. Bei der Urabstimmung hat El-Nagashi noch für das Projekt gestimmt, trotzdem nehme sie aus dem Ergebnis der Urabstimmung mit, dass sie im Gemeinderat "nicht dafür stimmen wird", wie sie dem STANDARD sagt. Zwar respektiere El-Nagashi die Entscheidung anderer Klubkollegen, dafür zu stimmen, trotzdem scheine es zur "Zerreißprobe" zu werden.

Auch Frauensprecherin Barbara Huemer will nach dem Ergebnis der Urabstimmung "nicht zum Ursprungsplan zurückkehren", wie sie im STANDARD-Gespräch sagt. Zwar habe sie sich immer für das Projekt eingesetzt, im Gemeinderat wird sie aber "nicht dafür sein". Was das genau bedeutet, also ob sie gegen das Projekt stimmen wird oder sich lediglich enthalten wird, habe sie noch nicht entschieden. "Ich nehme das Ergebnis der Urabstimmung und die Bedenken gegenüber dem Projekt ernst", sagt sie.

"Pragmatische Entscheidung" dafür

Die Abgeordneten David Ellensohn, Christoph Chorherr und Peter Kraus haben sich bereits dafür ausgesprochen. Auch Birgit Hebein sagte dem STANDARD, dass sie "für das Projekt stimmen" wird. Für sie ist es "eine pragmatische Entscheidung": Sie stehe mit der SPÖ mitten in den Verhandlungen zur Reform der Mindestsicherung. "Eine der Säulen der Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner ist eine verlässliche Handschlagqualität."

Weniger klar, aber deutlich genug drückte sich Rüdiger Maresch aus. "Der Klub wird so abstimmen, dass sich das ausgeht." Und: Es werden "mehr als 51 rot-grüne Mandatare" mitstimmen.

Antworten zu STANDARD-Anfragen bezüglich ihres Abstimmungsverhaltens sind von Jennifer Kickert und Birgit Meinhard-Schiebel noch ausständig.

Margulies sieht "Mehrheit für Projekt"

Der grüne Klubchef Ellensohn geht jedenfalls von einem Beschluss aus. "Nach intensiven partei- und klubinternen Beratungen wird es im Gemeinderat eine rot-grüne Mehrheit für die Widmung auf dem Heumarkt-Areal geben", sagt er. Davon geht auch Margulies aus. "Momentan sehe ich eine Mehrheit für das Projekt." Er fügt aber hinzu: "Ich bleibe bei meiner Position."

Den Umgang der grünen Parteispitze mit dem negativen Votum der Basis kritisiert er. "Für mich ist das nicht okay. Wir müssen solche Ergebnisse ernst nehmen." Dass er mit seinem Wahlverhalten die rot-grüne Koalition aufs Spiel setzen könnte, sieht Margulies nicht. "Das Projekt Heumarkt steht nicht im Koalitionspakt." Margulies räumt aber ein, dass bisher alle Gemeinderatsbeschlüsse – auch jene, die nicht im Koalitionspakt gestanden sind – von Rot-Grün II gemeinsam gefallen seien.

"Wischiwaschi-Position von Häupl"

Die inhaltliche Auseinandersetzung der Grünen mit dem Projekt Heumarkt sei "derzeit sehr konfrontativ. Ich hoffe, dass es nicht für die gesamte Stimmung der Partei so weitergeht."

Margulies kritisiert auch die "Wischiwaschi-Position von Bürgermeister Häupl zum Weltkulturerbe". Dieser müsse auch klar aussprechen, dass er mit dem Turm mit Absicht das Welterbe aufs Spiel setze.

Sondersitzung von Neos

Die Wiener Neos planen derweil eine Sondersitzung des Gemeinderates zum Thema noch im Mai. "Nachdem SPÖ und Grüne nicht über Bürgerbeteiligung reden wollen, zwingen wir sie dazu", erklärte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Zudem fordern die Pinken einen "Bürgerrat". Ein Gremium, bestehend aus per Los ausgewählten Wienern, das bei strittigen Fragen einberufen werden und eine Empfehlung abgeben soll. Die Neos werden gegen die Flächenwidmung stimmen. Es sei "kein Votum gegen das Projekt", aber gegen "schlechte Kompromisse" der Stadtregierung. Auch werben die Neos so um enttäuschte Grüne: "Ich lade alle grünen Sympathisanten, die sich abgestoßen fühlen, ein, den Weg gemeinsam mit uns zu gehen", sagte Meinl-Reisinger. (David Krutzler, Oona Kroisleitner, 26.4.2017)