Ja, das ständige Neuwahlgerede kann ziemlich nerven. Und es trägt sicher nicht dazu bei, dass die Regierung ihre ungeteilte Aufmerksamkeit der Arbeit an ihrem erneuerten Regierungsprogramm zuteilwerden ließe. Insofern ist am Vorschlag der Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker für ein Verbot vorzeitiger Neuwahlen etwas dran.

Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner versichern zurzeit: Sie wollen keine Neuwahlen.
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Man könnte es aber auch einfacher haben: In keinem Gesetz dieser Republik steht geschrieben, dass ein Bruch der Regierungskoalition automatisch zu einer Auflösung des Nationalrats und somit zu Neuwahlen führen muss. Vielmehr vereinbaren österreichische Parteien diesen Automatismus regelmäßig in ihren Koalitionsabkommen. Nichts hindert Regierungen der Zukunft daran, diese sogenannte Neuwahlregel ad acta zu legen und Regierungswechsel während der Legislaturperiode zu ermöglichen.

Natürlich sind Neuwahlen nicht immer nur der letzte Ausweg aus der koalitionären Sackgasse. Sie können auch strategisch eingesetzt werden, etwa um erhoffte Stimmengewinne zu realisieren oder zumindest drohende Verluste zu minimieren. Wenn dem so ist, würde man erwarten, dass Regierungsparteien bei vorgezogenen Wahlen besser abschneiden als bei regulären.

Die Grafik oben zeigt, dass dieser Zusammenhang tatsächlich vorliegt. Im Durchschnitt verliert eine Regierungspartei bei regulären Wahlen seit 1980 4,4 Prozentpunkte (vor 1980 waren es 3,7 Prozentpunkte). Vorgezogene Wahlen (hier definiert als Wahlgänge vor Ablauf von 90 Prozent der Legislaturperiode) bescheren Regierungsparteien seit 1980 hingegen nur ein Minus von rund 1,5 Prozentpunkten (vor 1980 sogar ein Plus). Kein Wunder, möchte man also meinen, dass sich Vertreter von SPÖ und ÖVP prompt gegen den Vorschlag der Rechnungshofpräsidentin ausgesprochen haben.

Dennoch: Ein Verbot vorgezogener Neuwahlen wäre voreilig. Nicht zuletzt ist es ein Wesensmerkmal parlamentarischer Regierungssysteme, dass die gewählte Volksvertretung autonom über ihre Auflösung entscheidet (von den parlamentarischen Demokratien Westeuropas praktiziert nur Norwegen ein Verbot vorzeitiger Neuwahlen).

Neben dem Abgehen vom Neuwahlautomatismus bei Koalitionsbruch gibt es aber auch gesetzliche Lösungen, die das allzu leichte Herbeirufen des Neuwahlgespensts hintanhalten können. In Schweden etwa sind vorzeitige Wahlen prinzipiell möglich, aber nur zur Überbrückung der Zeit bis zum nächsten regulären Wahltermin. Dieser Mechanismus dürfte abschreckend genug wirken: Schweden hat seit den 1950er-Jahren keine vorzeitige Neuwahl erlebt. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 27.4.2017)