Nach langer Suche konnte in Wien-Donaustadt ein geeignetes Grundstück gefunden werden. 2009 wurde das Johanna-Dohnal-Haus mit 40 Wohnungen fertiggestellt.

Foto: Pez Hejduk

Schnitte

Plan: Koeb & Pollak Architektur

Grundrisse Garten- und Erdgeschoß

Plan: Koeb & Pollak Architektur

Grundrisse 1. und 2. Obergeschoß

Plan: Koeb & Pollak Architektur

Grundrisse 3. OG und Dachgeschoß

Plan: Koeb & Pollak Architektur

Als Architektin Sabine Pollak an einem Infoabend über ihr "Frauenwohnprojekt ro*sa" sprechen wollte und in den Saal blickte, in dem gut 120 Interessentinnen saßen, wusste sie: Das Bedürfnis nach einem solchen Projekt in Wien war sehr groß. "Und ich war mir sicher, wenn wir jetzt ein Grundstück bekämen, dann könnte es sofort losgehen", erinnert sie sich.

Ziemlich schnell bildete sich eine Kerngruppe. "Das waren eher ältere Frauen, die sich in einer Übergangsphase befanden, die Zeit hatten und die Arbeit übernehmen konnten." Gemeinsam entwickelten die Architektin (Büro Köb & Pollak) und die Kerngruppe eine Struktur für den Verein, es wurden Ideen gesammelt und nach Vorbildern gesucht. "Wir haben Expertinnen eingeladen, zum Beispiel aus der 'Sargfabrik', und wir haben uns die Frauenwerkstatt angeschaut. Es gibt Vorbilder aus den 1920er-Jahren, und daraus haben wir dann Maximen formuliert, die wir im Büro umgesetzt haben: etwa ganz kleine Wohnungen für Frauen, die sehr wenig Geld zur Verfügung haben. Oder eine Wohngemeinschaft für ältere Frauen. Die Teilbarkeit der Wohnungen. Eine gewisse Anzahl an bestimmten Gemeinschaftsräumen."

Die Architektin legte großen Wert auf die Neutralität der Zimmer, darauf, dass es keine Hierarchie zwischen Kinder- und Erwachsenenzimmern gibt und dass offene Koch-, Wohn- und Essräume eingeplant wurden. "Wir haben Inhaltliches besprochen, etwa dass die Erschließungszone auch die Kommunikationszone des Hauses sein soll und damit mehr als nur ein Gang."

Kerngruppe intakt

Der größte Unterschied zu anderen Wohnformen sei die Gruppe gewesen, sagt Pollak. "Dass die Gruppe von Anfang an da ist, macht es aus bei einem solchen Projekt. Man identifiziert sich mehr mit dem Haus, dem Ort und auch mit der Geschichte und mit dem Zusammenleben. Das macht so ein Projekt anders."

Die Kerngruppe, erzählt Brigitte Schimmerl, Bewohnerin und Obfrau des Vereins, sei bis heute erhalten geblieben und intakt – "und das, obwohl es viele Anmeldungen und viele Abmeldungen gegeben hat, teilweise Unzufriedenheit, aber auch gleichzeitig viel Zufriedenheit. Es gibt eine Grundüberzeugung: Wir wollen zusammen sein. Wir wollen das Private zusammen leben, aber wir wollen auch das Öffentliche zusammen leben. Denn wir verspüren schon so etwas wie einen Auftrag – wenn Zeit und Kraft vorhanden ist -, mit unseren Anliegen in die Öffentlichkeit zu gehen. Sei es nun kulturell oder politisch. Und diese Motivation ist nach wie vor da."

Es ist das gute Recht der Stadt Wien, Wohnungen in geförderten Wohnprojekten zu vergeben. Auch im Frauenwohnprojekt ro*sa. Die Frauen des Vereins empfinden diese Vergabepraxis als Stresstest für ihr Konzept des solidarischen Wohnens im Johanna-Dohnal-Haus. Obfrau Schimmerl präzisiert: "Da gab es seitens der Mieterinnen das offene Bekenntnis: Wir wollen da wohnen, andere Dinge interessieren uns nicht."

Vergabe als "Knackpunkt"

Für Architektin Pollak ist die Wohnungsvergabe ein "ganz wichtiger Knackpunkt" bei allen Baugruppenprojekten. "Das zu ändern wäre eine ganz wichtige Sache, ist aber fast unmöglich in Wien. Weil alle geförderten Wohnbauten offen sein sollen für alle. Was ja auch ganz gut ist. Aber im Grunde killt das eine Baugruppe. Ein Drittel von 30 Wohnungen sind zehn Wohnungen, und das ist ein großer Teil eines Gebäudes."

Obfrau Schimmerl will mit nichts und niemandem tauschen: "Wir haben eine "ro*sa Seniora" gegründet. Wir haben überlegt, wie wir uns im Notfall helfen würden. Das schätze ich sehr. Es wurde auch schon ein fünfjähriger Bub betreut, dessen Mutter acht Wochen auf Rehabilitation war. Eine Mitbewohnerin ist neulich schwerstens verunfallt und musste ins Spital. Wieder bei uns, wurde sie in einer anderen Wohnung aufgenommen, weil ihre nicht geeignet war. Sie wurde mit Essen versorgt. Das klappt wirklich ganz einmalig. Ich hätte keine Angst, hier krank zu werden."

Für Sabine Pollak hat sich ihr Anliegen, für Frauen ein Haus zu bauen, das ihnen ermöglicht, selbstbestimmt und aktiv zu leben, erfüllt: "Die Architekturentwicklung und die ganze Wohnbauproduktion ist unglaublich männlich dominiert. Das einmal aufzubrechen und zu öffnen war mir wichtig. Zu sagen, dass hier nur Frauen in die Entscheidungsprozesse involviert sein sollen, sah ich schon als meine Mission."

Und Schimmerl lächelt, als sie sagt: "Allein die Existenz dieses Projektes sagt: Es geht auch anders." (Michael Kerbler, 29.4.2017)