Out of the dark into the red: In der Wiener SPÖ herrscht in der Nachfolgedebatte um Michael Häupl Versemmelverbot. Kern der Sache: Wer aus der nächsten Generation des SPÖ-Adels soll Gecko-gleich an der Spitze picken? Hinweis: Herr Van der Bellen (verdeckt) hat sich nur aufs Bild verirrt.

Grafik: Felix Viktor Otto Grütsch

Innerhalb von drei Monaten nach der nächsten Nationalratswahl soll der Wiener Bürgermeister und SPÖ-Chef zurücktreten und Platz für die Nachfolge machen. Das haben ihm seine Freunde abgetrotzt. Das ist für mich Anlass für einige Bemerkungen:

I.

Meine persönlichen Erinnerungen an Begegnungen mit Michael Häupl gehen zurück in die Zeit, als ich Leiter der kommunalpolitischen Abteilung der AK Wien und als solcher in den SPÖ-Klub im Rathaus kooptiert war. Häupl war damals Umwelt- und Sportstadtrat. Und er hat mich bei meiner ersten Klubklausur in Rust vor ersten schweren Fehlern auf dem für mich noch glatten Parkett der SPÖ Wien bewahrt.

Ein ganzes Stück später war ich ihm sehr dankbar, dass er den von mir bevorzugten – ich war damals Innenminister und die Bestellung des Wiener Polizeipräsidenten, der auch Sicherheitsdirektor ist, bedurfte des Einvernehmens mit dem Landeshauptmann – Kandidaten für das Amt des Polizeipräsidenten von Wien akzeptiert hat, obwohl er nicht der Wunschkandidat der SPÖ Wien war.

Zwölf Jahre war ich Bezirksparteivorsitzender der SPÖ Alsergrund und von 1995 bis 2007 war ich Nationalratsabgeordneter des Wahlkreises Wien Innen-West (Bezirke eins, sechs bis neun). Häupl wusste, dass ich für diese Bezirke der richtige Kandidat war – städtisch, liberal, manche haben auch gesagt links. Er wusste und weiß aber auch, dass andere Bezirke andere Kandidaten brauchen.

II.

Die Kunst, eine große Partei zu führen, besteht darin, ein breites Spektrum von Angeboten – personell und inhaltlich – anzubieten und diese bunte Mischung zusammenzuhalten. Und die Kunst der Kandidatinnen und Kandidaten besteht darin, zu begreifen, dass alle bei aller Unterschiedlichkeit an einem gemeinsamen Strang ziehen, das gleiche Ziel verfolgen. Für mich war einige Zeit beispielsweise Johann Hatzl eine programmatisch schwierige Herausforderung. Aber wir haben es beide begriffen und daraus wurde ein richtig gutes Verhältnis.

In dieser Hinsicht scheint zuletzt in der Wiener Partei einiges schiefgelaufen zu sein. Plötzlich haben sich einige der breit aufgestellten Kandidaten nicht mehr als Partner in einem breiten Spektrum, sondern als Wettbewerber um die wahre Position der Sozialdemokratie verstanden. Das ist allerdings ein grundlegendes Missverständnis hinsichtlich der Erfolgsaussichten. Denn die eine Wahrheit, mit der man alle Wähler oder zumindest eine Mehrheit von Wählern in einer Großstadt gewinnen kann, gibt es nicht. Es braucht eine ähnliche Vielfalt, wie sie auch die Wählerinnen und Wähler auszeichnet.

III.

Freilich hat es in den letzten beiden Jahren ein Thema gegeben, bei dem es eine gemeinsame Linie geben musste: die Flüchtlingsfrage. Michael Häupl hat in dieser Frage einen pragmatischen Kurs eingeschlagen und mit ruhiger Hand dafür gesorgt, dass die beträchtlichen Herausforderungen bestmöglich bewältigt werden. Ohne großes Gerede. Und ohne demonstrative Willkommenskultur.

Die Wiener SPÖ hat mit dieser Linie bei den Landtags- und Gemeinderatswahlen zwar auch verloren, allerdings nur 4,75 Prozent, die Freiheitlichen haben zugleich um 5,02 Prozent zugelegt. In jenen beiden Bundesländern, in denen die von manchen in Wien geforderte "harte Linie" gegenüber Flüchtlingen zumindest verbal dargeboten wurde, verlor die SPÖ 6,3 Prozent bei einem Zugewinn der Freiheitlichen von 6,1 Prozent (im Burgenland). In der Steiermark verlor die SPÖ 8,9 Prozent, die ÖVP 8,7 Prozent bei einem gleichzeitigen Zugewinn der FPÖ von 16,1 Prozent. Da lässt sich mit einem Spruch aus der Werbung schon sagen: Der Vergleich macht sicher.

IV.

Michael Häupl ist jedenfalls der bei weitem stärkste strategische Kopf in der Partei und das seit vielen Jahren. Nicht zuletzt deshalb ist es ihm nach schwierigem Beginn als Landesparteivorsitzender und Bürgermeister nach dem Duo Helmut Zilk und Hans Mayr erst im zweiten Anlauf gelungen, wieder eine absolute Mehrheit für die Wiener SPÖ zu erringen und bei der darauffolgenden Wahl sogar noch auszubauen. So einen sollte man nicht in die Wüste schicken, zumindest solange man keinen vergleichbar guten Kandidaten zur Verfügung hat.

Und man sollte überhaupt niemanden mit Ablaufdatum in die Wüste schicken, wenn man möchte, dass diese Person noch wesentliche Aufgaben erfüllen soll. Ein "dead man walking" führt keinen erfolgreichen Wahlkampf. Wissen das seine Diadochen nicht?

Gut. Das ist nun passiert und spricht nicht für strategisches Talent der ungeduldigen Königsmörder.

V.

Was kann man Michael Häupl als Bürgermeister vorwerfen? Muss man nicht eigentlich sagen, dass die von ihm geführte Stadtregierung in den vergangenen mehr als 22 Jahren gut, mehr noch, sogar sehr gut gearbeitet hat? Ist Wien nicht eine der am besten verwalteten Städte weltweit? Ist es unter Helmut Zilk und Michael Häupl nicht gelungen, Wien zu einer geistig und kulturell offenen Weltstadt zu machen? Hat Wien nicht auch die Herausforderungen durch die Migration sehr gut bewältigt – und sogar bei den letzten Wahlen deutlich besser abgeschnitten, als jene Landesregierungen, die meinten, mit Angstmache besser punkten zu können? Warum also haben es da manche Wiener Bezirkspolitiker so eilig, Häupl los zu werden?

Um zu erkennen, dass der Wechsel an der Spitze der Wiener SPÖ und im Bürgermeisteramt rechtzeitig vor der nächsten Wiener Landtags- und Gemeinderatswahl würde stattfinden müssen, um dem Nachfolger – der Nachfolgerin – Zeit zu geben, sich klar zu positionieren, hätte Häupl keine Zurufe gebraucht. Das hat er auch selbst gewusst.

VI.

Michael Häupl hätte einen anderen Umgang, einen anderen Abgang und eine solidarischere Partei verdient. Und es wäre wunderbar, wenn alle die, die in den letzten Wochen und Monaten seinen Abgang forderten, begriffen hätten, wie sehr all dieses Geschwätz der SPÖ auf Bundes- und auf Landesebene geschadet hat und weiter schadet. (Caspar Einem, 28.4.2017)