Detail aus "Smashed" (1972) des Künstlerduos Gilbert & George.

Foto: Courtesy Galerie Thaddaeus Ropac, London/Paris/Salzburg

Eine Arbeit von Joseph Beuys – zu sehen in Thaddaeus Ropacs neuer Galerie im Ely House in London.

Foto: Courtesy Galerie Thaddaeus Ropac, London/Paris/Salzburg

Nach Mayfair, natürlich. In dem feinen Londoner Innenstadtquartier verschieben Hedgefonds-Manager hinter anonymen Fassaden die Milliarden, verwalten Vermögensfonds die Öleinkünfte arabischer Scheichs und russischer Oligarchen. Und um die New Bond Street ist der Kunsthandel zu Hause, von ganz alt bis zur zeitgenössischen Moderne.

In bequem fußläufiger Nähe können Interessenten mit dem nötigen Kleingeld die immense Expertise der in Mayfair versammelten Galeristen abrufen und deren Angebote betrachten. Die Royal Academy of Art thront am Piccadilly, in den Auktionshäusern Sotheby's und Christie's gehen Woche für Woche Millionenwerte über den Tresen.

Seit Freitag hat der Cluster eine feine Ergänzung erhalten: Der Salzburger Galerist Thaddaeus Ropac ist nach Paris nun auch in der zweiten europäischen Weltstadt vertreten. Natürlich musste es Mayfair sein und innerhalb von Mayfair auch nicht irgendein Gebäude. Vielmehr stellt das Ely House "um Längen das beste Haus in der Dover Street" dar, wie die London Encyclopaedia begeistert vermerkt. In den 1770er-Jahren von Robert Taylor als Stadthaus für den anglikanischen Bischof von Ely (Grafschaft Cambridge) gebaut, diente das Palais mit 1500 Quadratmetern Grundfläche später dem progressiven Albemarle-Club, dem Roten Kreuz, zuletzt einem Antiquitätenhändler. Die deutsch-amerikanische Architektin Annabelle Selldort hat das Gebäude für Ropac in kurzer Zeit hergerichtet, Stuckimitationen und anderen Firlefanz entfernt, die originale Kuppel freigelegt.

Statt innerer Einkehr mit dem Bischof nun also die Anbetung moderner Kunst in Ropacs fünfter Galerie. Die Eröffnungsausstellungen präsentieren alte Favoriten des Kunsthändlers, darunter frühe Zeichnungen von Joseph Beuys und Arbeiten des Londoner Künstlerpaares Gilbert & George. In der früheren Bibliothek ist eine Auswahl von Gemälden und Skulpturen aus der Sammlung Egidio Marzonas zu sehen. Ein Raum sowie das Treppenhaus sind Installationen des 1985 geborenen Tonkünstlers Oliver Beer gewidmet. Der Absolvent der Akademie für zeitgenössische Musik in Guildford bei London ist davon überzeugt, jedes Gebäude habe seine eigene innere Stimme, man müsse die entsprechende Frequenz nur zum Schwingen bringen.

Sänger im Treppenhaus

Während des Umbaus entwickelte er im Bischofspalais als "Künstler vor Ort" diverse Klangmanipulationen. Und so stehen denn ausgebildete Sänger in den vier Ecken des Treppenhauses und bringen eine Komposition zu Gehör, die je nach Standort mehr oder weniger erträglich durch den Körper des Besuchers vibriert. Zum Glück brauchen Sänger regelmäßig Pausen.

Er wolle in London auch historische Ausstellungen machen, hat Galerist Ropac gesagt und freut sich auf die Arbeit mit Nachlässen. Ein 20- bis 25-köpfiges Team soll zukünftig in London die Kundschaft betreuen, die, davon ist Ropac überzeugt, Mayfair trotz Brexit auch weiterhin ansteuern werde. Tatsächlich hat ja die Regierung Theresa Mays schon angekündigt, man werde die Insel notfalls endgültig zum Offshorefinanzzentrum umwandeln, sollten die einstigen EU-Partner London nicht zu Willen sein. Der boomende Kunstmarkt mit seinen Milliardenumsätzen passt da gut dazu.

Und wer weiß: Ist der Bischofspalast erst einmal als wichtige Kunstadresse etabliert, wagt sich vielleicht auch Ropac aus dem Reichenghetto von Mayfair wie die Konkurrenz von Gagosian. Die hat ihre dritte Londoner Dependance in King's Cross eröffnet; die einstige Adresse für Stricher und Prostituierte ist mindestens so sehr am Kommen wie Bermondsey südlich der Themse, wo White Cube residiert. (Sebastian Borger aus London, 29.4.2017)