Welch eine Koinzidenz: Sowohl die Grünen in Österreich als auch in Deutschland stecken in der Krise – allerdings aus gegenteiligen Gründen. Während sich die Grünen in Österreich derzeit nicht über mangelnde (selbstverschuldete) Aufmerksamkeit beklagen können, sind die Parteifreunde in Deutschland im wichtigen Wahljahr kaum präsent. Themen der Grünen seien nicht gerade "der heiße Scheiß der Republik", meinte die grüne Spitzenkandidatin auf Bundesebene, Katrin Göring-Eckardt, nach dem für ihre Partei enttäuschenden Abschneiden bei der Wahl im Saarland. Die jüngsten Umfragewerte sehen die Grünen nur noch bei maximal sieben Prozent – der niedrigste Wert seit 15 Jahren.

Das Schicksal, bei einem Wahlkampf auf Bundesebene kaum wahrgenommen zu werden, weil sich die Aufmerksamkeit auf das Rennen um das Kanzleramt richtet, könnte auch den österreichischen Grünen blühen. Nach dem gefühlten Hoch nach der Wahl ihres langjährigen Parteichefs Alexander Van der Bellen zum Bundespräsidenten sind sie wieder in den Mühen der politischen Ebene angelangt. Während sich in Deutschland das Interesse auf das Duell zwischen Angela Merkel (CDU) und Martin Schulz (SPD) konzentriert, würde in Österreich bei einem Dreikampf Christian Kern (SPÖ), Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) sogar weniger Platz für grünes Agendasetting bleiben.

Noch sorgen Grüne für Gesprächsstoff, wenn auch aus für sie nicht positiven Gründen. Parteichefin Eva Glawischnig vermittelte wochenlang den Eindruck, nicht einmal mit der Parteijugend fertigzuwerden. Der Streit wurde intern nicht gelöst und zu einem Schlagabtausch auf offener Bühne. Glawischnig ist angeschlagen und kann sich nur mangels überzeugender personeller Alternativen weiter im Amt halten.

In Wien vermitteln die Grünen derzeit ebenfalls das Bild einer grünen Chaostruppe. Stimmen von 18 Funktionären bei der Urabstimmung zum Heumarkt-Projekt könnten nicht nur Sprengkraft für die rot-grüne Koalition entwickeln, sondern auch die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou zum Rücktritt zwingen. Könnten – denn es wird nicht so weit kommen. Auch wenn drei von zehn Mandataren im Gemeinderat bereits bekanntgegeben haben, gegen das Hochhausprojekt am Heumarkt zu sein, so wird wohl nur einer wirklich dagegen stimmen, die anderen werden sich enthalten. Dadurch wird das Quorum gesenkt.

Dass man dann doch nicht so abstimmt, wie es den eigenen Überzeugungen entspricht und die Parteiräson mehr wiegt als das freie Mandat – das beschädigt die Glaubwürdigkeit. In der Causa Heumarkt haben sich massiv Nationalratsabgeordnete engagiert und damit der Vizebürgermeisterin, die dem Koalitionspartner und dem Investor im Wort steht, geschadet. Auch hier hat Glawischnig nicht eingegriffen.

Die Grünen haben damit das einzige Bündnis mit der SPÖ beschädigt, nicht gerade eine Empfehlung für die von Christian Kern favorisierte rot-grün-pinke Koalitionsvariante auf Bundesebene. Die Grünen stecken in Deutschland und Österreich gleichermaßen in einer Zwickmühle. Als Oppositionspartei im Bund müssen sie angreifen, in den Bundesländern regieren sie mit: In Deutschland in elf von 16 Bundesländern, in Österreich in sechs von neun. (Alexandra Föderl-Schmid, 28.4.2017)