Wien – Einen Rückschlag auf dem Landesparteitag der Wiener SPÖ musste die Sektion 8 einstecken. Ihr strittiger Antrag, der ein Verbot der Gratiszeitungs-Entnahmeboxen im öffentlichen Raum und in den Wiener U-Bahnstationen gefordert hatte, wurde nach einer über einstündigen und hitzigen Diskussion an eine Arbeitsgruppe zugewiesen. Die Sektion 8 hatte eine Annahme des Antrags beim Parteitag forciert.

"Diese Zeitungen verdienen – konservativ geschätzt – 70.000 Euro an Werbeeinnahmen pro Tag", sagte die Vorsitzende der Sektion 8, Eva Maltschnig: "Das ist eine stille Subvention. Das Geschäftsmodell ist der öffentliche Raum und ich verstehe nicht, warum wir ihnen diesen zur Verfügung stellen müssen", sagte Maltschnig.

"Jahrzehntelang flossen Gelder in den Boulevard", kritisierte Mario Krendl aus der Sektion 8 vor der Abstimmung: "Das ist weder für die Sozialdemokratie, noch die Gesellschaft, noch die Wiener Bürger gut." Mit den Gratiszeitungs-Entnahmeboxen habe man sich einen "Boulevardmarkt geschaffen, der eine künstliche Reichweite erzeugt". Zudem würde jener Politiker, der "am meisten Geld in den Boulevard investiert", "bejubelt", andere durch den Schmutz gezogen, meint Krendl: "Das Geld schafft an."

Mailath-Pokorny gegen Verbot

"Wir alle sind gegen Rassismus, Vorurteile und Hetze", konterte der auch für die Inserate der Stadt zuständige Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny: "Aber zu glauben, dass wir über Verbote so tun könnten, als gebe es den Boulevard nicht, zu glauben, dass wir das ändern könnten, indem wir keine Inserate mehr schalten, uns aus dem Spiel nehmen, da lachen sich die anderen ins Fäustchen. "

Der nächste Schritt, den Mailath-Pokorny befürchtet, sei es, die "Sonntagszeitungstascherln zu streichen". In einer Situation, "wo die Wahlergebnisse immer knapper werden, wie sehr sollen wir uns da noch weiter beschneiden?" Nach zunächst vereinzelten Buhrufen aus dem Publikum verließ Mailath-Pokorny die Bühne unter großem Applaus.

Vergleich mit "Stürmer"

Egon Stockmeyr, Gewerkschafter von der Sektion 16, verglich Gratiszeitungen gar mit der antisemitischen Wochenzeitung "Der Stürmer": "Ich war eine Woche in Auschwitz, habe mir dort die Maschinerie angesehen, wie alles vernichtet wird. Für diese Maschinerie gab es auch Hetzblätter, eines war 'der Stürmer'. Jedes Mal, wenn ich in die U-Bahn hineingehe, werde ich daran erinnert, wenn ich diese Blätter sehe." Der Zugang zu Gratisblättern sei zu leicht: "Hetze bekommt man gratis. Für das, worüber man nachdenken muss, dafür zahlt man."

Auch der zweite Antrag der Sektion 8 zu dem Thema, der die Einhaltung des Ehrenkodex des österreichischen Presserats als Bedingung für Inseratenschaltung forderte, wurde an eine Arbeitsgruppe im Gemeinderat zugewiesen – allerdings ohne lange Diskussion. (Oona Kroisleitner, 29.4.2017)