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Nicolas Dupont-Aignan unterstützt nun lautstark Marine Le Pen.

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Am Rande der Demonstrationen zum 1. Mai in Paris erlitt ein Polizist schwere Verbrennungen.

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"Verrat", "Schande": Die Reaktionen auf den Schulterschluss von Marine Le Pen und Nicolas Dupont-Aignan sind in Paris vehement ausgefallen. Erstmals geht der Front National (FN) eine Allianz mit einer anderen Partei ein. Zumal mit einer, die das gaullistische Erbe hochhält, also das historische Gegenteil des Vichy-Regimes, dessen Veteranen in dem FN von Jean-Marie Le Pen Unterschlupf gefunden hatten.

Der Außenseiter Dupont-Aignan hatte im ersten Wahlgang der Präsidentenwahlen mit seiner Partei Debout la France (etwa: Auf Frankreich!) 4,7 Prozent erzielt. Das war genug, um den Konservativen François Fillon am Einzug in den zweiten Wahlgang zu hindern. Jetzt überbringt der 56-jährige Erzgaullist diese Stimmen als Mitgift der Partei, die bisher von einer "republikanischen Front" abgeschirmt und politisch isoliert gewesen war. Das verschafft Le Pen noch keine Mehrheit (Emmanuel Macron führt laut Umfragen mit 60:40), aber eine starke Dynamik.

Gemeinsam haben Dupont-Aignan und Le Pen die Ablehnung der EU. Dupont-Aignan, der einem gaullistischen "Europa der Vaterländer" das Wort redet, ist vorsichtiger und verlangt keinen unbedingten "Frexit", also Ausstieg Frankreichs aus der EU. Das rechte Duo plädiert deshalb für "Pragmatismus", was neu ist für Le Pen: Der Euro-Ausstieg ist "keine Vorbedingung" mehr, lässt also einen anderen Ausgang der geplanten Austrittsverhandlungen mit Brüssel zu. So steht es jedenfalls in dem "Regierungsabkommen", laut dem Präsidentin Le Pen ihren neuen Partner Dupont-Aignan zu ihrem Premier machen würde.

Proteste 2002 als Höhepunkt

Überläufer Dupont-Aignan versetzt der jahrzehntealten "republikanischen Front" gegen die Lepenisten zweifellos den Todesstoß. Ihren Höhepunkt hatte sie 2002 erlebt, als zwischen dem ersten und zweiten Durchgang der Präsidentenwahlen über eine Million Franzosen auf die Straße gegangen waren, um gegen einen Wahlsieg des FN-Gründers Jean-Marie Le Pen zu demonstrieren. Seine Tochter Marine tritt heute gemäßigter auf und bezeichnet sich selbst als "Republikanerin".

Zudem pflegt sie einen wirtschaftspolitisch betont linken Diskurs gegen die "Oligarchien" und das "ultraliberale Brüssel". Der Linke Jean-Luc Mélenchon, der 2002 aufgerufen hatte, mit zugehaltener Nase für den einzigen Gegenkandidaten Jacques Chirac zu stimmen, blieb am Wochenende ambivalenter. Er will natürlich nicht für Marine Le Pen stimmen – aber er ruft auch nicht klar zur Wahl Macrons auf.

Ein ähnliches Bild vermittelten die Umzüge des 1. Mai. Militante Gewerkschaften riefen dazu auf, "weder Le Pen noch Macron" zu wählen. Letzterer ist als Rothschild-Banker untragbar für antikapitalistische Kreise, zumal er die Arbeitsmarktreform von François Hollande mitgestaltet hatte. Bei getrennten Umzügen rief die moderate Gewerkschaft CFDT – die für die Reform eingetreten war – zur Wahl Macrons auf.

Am Rande der Aufmärsche am Montag kam es in Paris auch zu Ausschreitungen, bei denen mehrere Polizisten verletzt wurden. (Stefan Brändle aus Paris, 1.5.2017)