Blixa Bargeld und seine Band in Krems: Greatest Hits mit festinstalliertem Krachinstrumentarium.

Foto: David Visnjic/donaufestival

Krems – Auch wenn sie noch so klein ist: Große Kunst muss neben großer Ernsthaftigkeit immer auch einen Mindestanteil Heiterkeit beinhalten. Sonst beklemmt sie den Brustkorb und macht den Kopf traurig. Es mag nicht dem gängigen Bild vom an seiner eigenen Kunst einsam leiden müssenden Dichterfürsten entsprechen. Aber seien wir uns ehrlich, wenn es nicht auch ein wenig Spaß macht, warum dann all die Mühen?

Die Einstürzenden Neubauten begannen vor über 35 Jahren ihre Laufbahn grundvernünftig. Sie hauten gerne Sachen kurz und klein, liebten Krach, Anarchie und fröhlichen Nihilismus. Und sie hatten Spaß daran, Musik zu machen, die in den Augen der damals noch nicht einmal so großen Weltöffentlichkeit gar keine Musik war. Das geschah mit Materialien, die man auf Baustellen entwendete, mit irgendwie aus dem Supermarkt mit nach Hause genommenen Einkaufswägen oder mit lustigen Sachen vom Schrottplatz zum Kilopreis.

Man gab sich lyrisch

Den Humor in den Texten versteckten die Einstürzenden Neubauten und ihr Chefdramaturg Blixa Bargeld sehr schnell sehr gut. Man gab sich lyrisch sowohl von den Theorien Antonin Artauds zu seinem Theater der Grausamkeit als auch von den Gedichtbänden beeinflusst, die weltweit in den Bibliotheken der deutschen Goethe-Institute herumstehen.

Dies führte live vorne am Mikro bald zu einem vom Gestus und dem Anzug her, sagen wir, staatskünstlerischen Auftreten Blixa Bargelds. Er wusste um seine künstlerische Gewichtigkeit und legte im Vortrag eine gewisse Strenge an den Tag, während hinten seine Kollegen mit Schlagstöcken zwischen Stahlfedern, Maischefässern, Benzinkanistern und Durchlauferhitzern herumberserkerten.

Wie der, selten bei ihnen, jetzt unglaublich intensive und stimmige Auftritt der Einstürzenden Neubauten zum Abschluss des ersten Wochenendes des Donaufestivals in Krems zeigte, ist das immer noch so – aber eben nicht ganz.

Nicht mehr von der Baustelle geborgt

Neben edlen Vintage-Gitarren und gut sitzendem dunklem Tuch sowie einem zusätzlich engagierten Keyboarder, der seinen Tasten mitunter sogar Streichersätze aus der hochkulturdeutschen Philharmonie entlockte, fällt bei den Neubauten eines seit Jahren auf: Mittlerweile wird nicht mehr von der Baustelle geborgt, sondern bei Hornbach offiziell auf Rechnung eingekauft. Auch wegen der Steuer, Betriebsausgabenabzug und so.

Die Show in Krems lief unter dem Titel "Greatest Hits". Sie wirkte dank des festinstallierten Krachinstrumentariums, das zum Beispiel aus zusammengeschraubten Abflussrohren, einer zum Plattenspieler umgebauten Bohrmaschine oder einer Blechkippe, aus der schön polierte Metallstäbe zu Boden dengeln, besteht (he, da waren exakt 50 Stück drinnen, und die will ich nach dem Konzert auch wiederhaben!), schon auch ein wenig wie museale Inszenierung. Ein böser Mensch behauptete nach der Show, er habe gerade die Einstürzenden Neubauten bei einem ihrer Auftritte während ihres einjährigen Engagements im Caesar's Palace in Las Vegas erlebt.

Lieder aus der altersmilden Spätphase

Auch schon ein wenig ältere, nicht so offensichtliche Lieder aus ihrer altersmilden Spätphase standen im Mittelpunkt. Eingeleitet wurde mit der schönen Ballade "The Garden". Es wurde kurz im alten, von Geistern aus dem Land der Amphetamine und russischen Vitamine bevölkerten "Haus der Lüge" Station gemacht. "Susej" und "Sabrina" schauten vorbei – und "Die Befindlichkeit des Landes" wurde wieder einmal erkundet.

Der offensichtlich bestens gelaunte Herr Bargeld ("Mehr Licht, es ist mir hier zu dunkel!") erzählte zwischen den Stücken sensationellerweise launige Schnurren vom Krieg, unter anderem von Gitarrenaufnahmen in einem unter Schlamm stehenden Keller. Und in der "Unvollständigkeit", einem Song von 2007, brach sich der Humor schließlich auch seine Bahn im musikalischen Werk: "Das Wasser findet seinen Weg/ Ich lasse es, ein letzter Strahl/ Ein letztes Glas, ein Flatus/ Endlich leer."

Die zwei Zugabenblöcke eröffnete Bargeld mit einer "Theaterzigarette", "Silcence Is Sexy", dem Song mit der ständig wiederholten Titelzeile, elendslangen Kunstpausen dazwischen und dem abgefeimten Schluss "But not from you", sowie der wirklich plausiblen, vom alten Lateiner Marcus Tullius Cicero stammenden Lebensweisheit "Man muss nicht alles glauben, was man hört".

Die "Interimsliebenden," "Total Eclipse of the Sun", "Ein leichtes leises Säuseln", "Redukt". Dann war Ende Neu. Doch, doch, auch das Ruhige steht den Neubauten gut. (Christian Schachinger, 2.5.2017)