Niemand denke an Neuwahlen, jeder arbeite unablässig für Land, Leute und das Gute in der Welt: Dies werden SPÖ und ÖVP nicht müde zu beteuern. Eigentlich wäre es der Job der Opposition, derartige Ansagen als leere Versprechen zu entlarven. Doch diese Aufgabe erledigen Politiker aus der Koalition schon selbst.

Die ÖVP greift in einer neuen Broschüre Kanzler Christian Kern an, als säße sie mit ihm nicht gemeinsam in einer Regierung. Auf dem Cover prangt das bedrohlich in Szene gesetzte Konterfei des SPÖ-Chefs, verziert mit Hammer und Sichel. Dahinter verbirgt sich ein "Rot-Grün-Manifest" mit zehn Verboten, die im Fall einer "linken Wende" auf das arglose Volk zukämen: "Du darfst von Zuwanderern nichts einfordern", "Du darfst den Jungen keine Chance lassen", "Du darfst nichts über den eigenen Vorteil stellen".

Politiker müssen keine Samthandschuhe anziehen, eine gewisse Schärfe verleiht einer Debatte erst die Würze – solange es um die Sache geht. Das schwarze Dirty Campaigning jedoch ist von einer ernsthaften inhaltlichen Auseinandersetzung so weit weg wie die ÖVP von der absoluten Mehrheit: reine Sudelei, obendrein ziemlich dämlich.

Außerdem spielt das Timing eine Rolle. Was kurz vor einer Wahl zulässig sein mag, ist mitten in einer Regierungsperiode einfach nur destruktiv. Die unterschwellige Botschaft an all die verärgerten Bürger, die der Koalition keine seriöse Arbeit mehr zutrauen: Ihr habt völlig recht. (Gerald John, 2.5.2017)