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Wahlkampf in der Hauptstadt Algiers: Die Wähler und Wählerinnen bleiben den Auftritten der Politiker fern, niemand glaubt an Veränderungen.

Foto: AP / Sidali Djarboub

Algier/Madrid – Am 4. Mai wählen die Algerier ein neues Parlament. Aber niemand zweifelt daran, dass einmal mehr mit der historischen Nationalen Befreiungsfront (FLN) und deren Abspaltung, der Nationalen Demokratischen Versammlung (RND), die beiden Parteien gewinnen, die seit Jahrzehnten die Geschicke des nordafrikanischen Landes leiten. Die Sorge der Mächtigen ist jedoch die Wahlbeteiligung und damit die Legitimität des Urnengangs. Seit 9. April ist Wahlkampf, 63 Parteien treten an. Doch die Veranstaltungen sind in den großen Städten nur spärlich besucht.

Seit den ersten freien Parlamentswahlen 1991/1992 geht die Lust der Wähler, ihre Stimme abzugeben, ständig zurück. Damals gewann die Islamische Heilsfront (FIS) im ersten Durchgang. Vor dem zweiten Durchgang brach die Armee die Wahlen ab. Die FIS wurde verboten. Das Land versank in einem zehn Jahre dauernden blutigen Krieg, der rund 200.000 Menschen das Leben kostete.

Bei den letzten Parlamentswahlen 2012 lag die Wahlbeteiligung bei 43 Prozent, und das war – so zahlreiche Beobachter – eine geschönte Zahl. Algeriens Bevölkerung steckt in einer tiefen Depression. Zwar hat sich die Sicherheitslage in den letzten 15 Jahren deutlich verbessert, doch die wirtschaftliche und soziale Situation kaum. Das Parlament hat nicht wirklich etwas zu sagen. Eine starke Opposition gibt es nicht.

Die Islamisten, die einst große Massen hinter sich vereinten, sind weiterhin verboten. Diejenigen, die unter dem Markenzeichen Islam antreten, unterstützten immer wieder die regierende FLN und sind somit weitgehend diskreditiert. Das nichtreligiöse Lager zerfällt in unzählige Parteien.

Wählen ohne "Toufik"

Und dennoch sind die Wahlen dieses Mal so etwas wie eine Premiere. Es ist der erste Urnengang der nicht unter der Kontrolle des übermächtigen Geheimdienstgenerals Mohamed Lamine Mediène, genannt "Toufik", stattfinden. Dieser wurde 2015 von Präsident Abdelaziz Bouteflika in den Ruhestand geschickt. Einige Oppositionsparteien versprechen sich davon sauberere, demokratischere Wahlen. Und eine Verfassungsrevision aus dem vergangenen Jahr räumt dem Parlament mehr Kompetenzen ein, die Opposition in der Nationalen Volksversammlung wird gestärkt.

Ein Oppositionsbündnis, das bei den letzten Präsidentschaftswahlen 2014 entstand, um Reformen zu fordern, zerbrach jetzt an der Frage der Teilnahme an den Wahlen. Mehrere Parteien, die bisher immer wieder zum Boykott gerufen hatten, nehmen am 4. Mai teil. Allen voran die Versammlung für Demokratie und Kultur (RCD), die vor allem in der Kabylei, Region der Berberminderheit, stark ist. Es geht den Parteien darum, Präsenz zu zeigen. Denn spätestens 2019 stehen Präsidentschaftswahlen an, wenn der schwerkranke Bouteflika sich nicht bereits zuvor zurückzieht.

Wenn überhaupt, dann sind es die Anekdoten der Wahlkampagne, die die Menschen interessieren. Eine davon ist das Thema "Geisterfrauen". Mehrere Islamistische Parteien haben auf ihren Plakaten die Gesichter der Kandidatinnen per Photoshop wegretuschiert. Was zurückbleibt, ist ein Kleid und ein Kopftuch. Die Wahlkommission schritt ein und verlangte von den Parteien, die Plakate zu ändern, die Wähler hätten ein Recht darauf zu sehen, wem sie ihre Stimme anvertrauen.

Per Gesetz sind die Parteien dazu verpflichtet, mindestens 30 Prozent Frauen auf ihren Listen und später im Parlament zu haben. In der zu Ende gegangenen Legislaturperiode waren knapp 31 Prozent Frauen in der nationalen Volksversammlung. Nirgends in Nordafrika sind die Frauen so stark vertreten wie in Algerien. Regional beschränkt tritt erstmals für die kleine ANF gar eine Liste an, die nur aus Frauen besteht. (Reiner Wandler, 3.5.2017)