Wien – "Ich bin dafür, die Sache in die Länge zu ziehen" – Dieses Zitat von SPÖ-Innenminister Oskar Helmer fand der britische Historiker Robert Knight in den späten 1980er-Jahren in Ministerratsprotokollen. Publiziert im gleichnamigen Buch, steht es seither paradigmatisch für den politischen Umgang der jungen Zweiten Republik mit Entschädigungsansprüchen verfolgter Juden.
Mit einem ähnlichen Interesse an den Kontinuitäten zwischen Nationalsozialismus und Nachkriegsdemokratie erforscht Knight die Politik gegenüber den Kärntner Slowenen nach 1945. Aus britischen, deutschen, österreichischen und slowenischen Archiven schöpfend, widmet er sich in seiner neuen Studie "Slavs in Post-Nazi Austria" der Kärntner Schul- und Sprachpolitik.
Er stellt die zentrale Frage, wie es dazu kommen konnte, dass der 1945 in mehr als 100 Südkärntner Volksschulen eingeführte zweisprachige Unterricht vierzehn Jahre später durch das sogenannte "Minderheiten-Schulgesetz" wieder abgeschafft wurde. Wie war es möglich, dass auf die brutale Germanisierungspolitik der NS-Diktatur eine "demokratische" Politik folgte, welche die slowenische Sprache und Kultur neuerlich deklassierte?
Legitimierter Erlass
Die These von Knight lautet, dass das Parlament nachträglich einen illegalen Erlass des Kärntner Landeshauptmannes Ferdinand Wedenig (SPÖ) legitimierte, der ihm vom Kärntner Heimatdienst und anderen antislowenischen Organisationen aufgezwungen worden sei. Der Wedenig-Erlass erlaubte die Abmeldung vom zweisprachigen Unterricht und öffnete damit dem sozialen Druck auf Eltern in Südkärnten, genau das zu tun, Tür und Tor.
Knight bietet eine Reihe von Erklärungen für das Gedeihen dieser postnazistischen, deutschnationalen Macht: Antislawische Ressentiments fanden durch den beidseitig hochgespielten Konflikt um den Verlauf der Grenze zu Jugoslawien weit über das Lager der ehemaligen Nationalsozialisten hinaus Nahrung.
Die mangelhafte Entnazifizierung untergrub den Aufbau demokratischer Werte und gab ehemaligen lokalen Nationalsozialisten den Spielraum, im Kampf gegen die Zweisprachigkeit den Krieg doch noch zu gewinnen. Die Bundespolitik gab aus parteipolitischen Kalkülen nach, und die Alliierten zuckten nicht einmal mit der Schulter. Der Artikel 7 des Staatsvertrages hatte für die Westmächte, die kollektiven Minderheitenrechten skeptisch gegenüberstanden, keine Priorität.
Das Gegenteil von Liberalität
Die deutschnationalen Verbände agitierten auf zwei Linien: Sie malten stetig eine jugoslawische (kommunistische) Landnahme an die Wand. Zugleich brachten sie scheinbar liberale Freiheitsrechte wie ein individuelles "Bekenntnisrecht" und das "Elternrecht", über die Unterrichtssprache der Kinder zu bestimmen, gegen die zweisprachige Schule in Stellung. Knight zeigt, dass sie im Kontext einer strukturellen Ungleichheit effektiv zum Gegenteil von Liberalität führten, nämlich zu sozial erzwungener Assimilation.
Als Avantgarde der Demontage der zweisprachigen Schule taten sich Kärntner ÖVP-Politiker hervor. Sie drängten schon 1947 Bundeskanzler Figl (ÖVP), die slowenische Sprache aus Ämtern und Schulen zu verbannen. Dem VP-Unterrichtsminister Drimmel drohten sie mit der Ungeduld der Südkärntner "Freunde". Demgegenüber verlangte Landeshauptmann Wedenig von Außenminister Gruber (ÖVP) eine gemeinsame Front gegen die ehemaligen Nationalsozialisten – sonst bliebe ihm nichts anderes übrig, als "in das gleiche Horn zu stoßen" – was mangels Resonanz schließlich geschah.
Insgesamt fühlt man sich bei der Lektüre immer noch an aktuelle Vorkommnisse in Kärnten erinnert. Robert Knights exzellente Studie, die manche Thesen österreichischer Historiker profund hinterfragt, ist deshalb nicht nur eine brisante historische Untersuchung. Es ist zu hoffen, dass eine deutsche Übersetzung zu einem vernünftigen Preis bald in den Buchhandlungen aufliegt. (Peter Pirker, 8.5.2017)