Bei der traditionellen Gebetszeremonie durch einen Lama werden die Berggötter für den Aufstieg gnädig gestimmt. Die Zeremonie dauert gut eineinhalb Stunden – ohne die Vorbereitungen. Es werden buddhistische Gebete gelesen und in monotoner Stimme gesungen, und Opfergaben an die Berggötter gemacht: Rum, Bier, Reis, Wasser, Räucherstäbchen. 

Traditionelle Puja im Everest-Basislager.
Foto: Hannes Gröbner

Am folgenden Tag starten wir um sechs Uhr früh mit unserer Rotation. Das bedeutet, dass wir zum ersten Mal mit vollgepackten Rucksäcken – 20 Kilogramm pro Person – durch den Khumbu-Eisbruch zum Lager 1 aufsteigen. Überraschenderweise war der Eisbruch leichter zu überwinden als gedacht, was vor allem an der guten Routenführung lag, die von den sogenannten "Icefall Doctors" über die Jahre angelegt wurde.

Der Eisbruch verändert sich täglich durch Bewegungen im Eismassiv und jene "Doktoren" sind tagtäglich unterwegs, um Leitern und Fixseile entsprechend zu verlegen und neu zu spannen.

Ich selbst – und auch Markus – erfreuen uns über die Route, die durch haushohe Gletscherspalten, über Leitern und Spalten, deren Tiefe man nicht sehen, höchstens erahnen kann, führt. Ein Erlebnis, das man nicht jeden Tag genießen kann.

Vertikale Aufstiegshilfe im Khumbu-Eisbruch.
Foto: Hannes Gröbner

Mit 20 Kilogramm am Rücken benötigen wir knapp sechs Stunden bis ins erste Hochlager auf fast 6100 Metern. Kein Eiltempo, denn uns fehlt noch immer die Höhenakklimatisierung.

Das Lager zieht sich oberhalb des Khumbu-Eisbruches über mehrere Stufen. Markus, der wesentlich schneller als ich unterwegs war, hat das Zelt im obersten Bereich des Lagers schon aufgebaut. Nach einem kurzen Funkspruch kann ich es dann auch schnell lokalisieren und erreichen.

Lager C1 mit Everest und Lhotse im Hintergrund.
Foto: Markus Amon

Nun fängt für uns das Hochlagerleben an: Zelt aufbauen, einrichten, auf
minimalem Platz die gesamte Ausrüstung verstauen, Schnee holen, Schnee schmelzen, Tee trinken, kochen – alles lebenswichtige Aktivitäten, die in dieser Umgebung einiges an Energie und sehr viel Motivation benötigen.

Aufstieg zum Lager C2.
Foto: Hannes Gröbner

Nach einer ersten, für mich sehr schlechten, weil unruhigen Nacht – auch
Markus habe ich wohl zeitweise vom Schlafen abgehalten – ging es weiter
in das nur wenige Kilometer entfernte Lager 2, am Ende des sogenannten Tal des Schweigens. Das Tal ist ein langer Korridor zwischen Westschulter des Everest, dem Berg selbst sowie Lhotse und Nuptse und ist das höchstgelegene Tal der Welt.

Diese Etappe ist einfach und kurz – drei Stunden brauche ich durch das Tal, das über große Gletscherspaltenzonen führt. Waren im Khumbu-Eisbruch die Leitern eher klein, so queren wir hier sehr lange, teils bis zu zehn Meter lange, waagrechte Leitern. Da man hier auf die einzelnen Sprossen
schauen muss, muss man natürlich auch in den Abgrund darunter blicken,
der teils 50 Meter oder noch tiefer ist. 

Vertikale Aufstiegshilfe.
Foto: Markus Amon

Das Lager 2 ist eigentlich ein vorgeschobenes Basislager, mit großen Fixzelten, Kochmannschaften und in diesem Jahr wohl ein paar hundert
Zelten insgesamt. Auch hier bauen wir wiederum am oberen Ende des C2 bei knapp 6500 Meter unser Zelt auf – etwas abseits der anderen, großen Gruppen. Hier verbringen wir nur zwei Nächte. Einen Tag verbringen wir als Rast- und Akklimatisierungstag.

Ein kleiner Teil des Lager C2 auf 6500 Metern.
Foto: Hannes Gröbner

Tragisches Unglück in unmittelbarer Nähe

Am selben Tag, einige Meter von uns entfernt, ist der bekannte Schweizer Alpinist Ueli Steck in den Tod gestürzt. Wir selbst bekommen vom Unglück am Sonntag dort oben aber nichts mit, erst am nächsten Tag erfahren wir per SMS davon. Steck soll am Fuß des Mount Nuptse 1.000 Meter in die Tiefe gestürzt sein. Seinen Angehörigen sprechen wir unser tiefstes Beileid aus.

Im Lager C2.
Foto: Hannes Gröbner

Nach der schrecklichen Nachricht versuchen wir einen klaren Kopf zu bekommen und versuchen uns trotzdem an dem Weg nach oben. Wir wollen durch die steile Lhotse-Flanke Richtung Lager 3 aufsteigen, aber der starke Wind und die äußerst tiefen Temperaturen zwingen uns dazu, abzubrechen und ins Basislager abzusteigen – uns fehlt ohnehin noch die notwendige Ausrüstung. Eine nahende Warmfront erreicht uns und bei dichtem Schneetreiben kommen wir abgekämpft und pünktlich zum Mittagessen unseres Kochs Wongdi Sherpa im Lager an.

Für die nächsten Tage müssen wir rasten, Kräfte sammeln und auf eine Wetterbesserung warten. Dann beginnt Rotation Nummer Zwei. (Hannes Gröbner, 2.5.2017)

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