Wien – Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) hat sein Strafrechtspaket angesichts vieler Einwände in der Begutachtung teilweise geändert. Dem dringenden Wunsch der SPÖ, den Staatsfeinde-Tatbestand zu präzisieren, wurde Rechnung getragen. Damit kann die Vorlage am Mittwoch vom Ministerrat beschlossen werden und nach dem Parlamentsbeschluss mit 1. September in Kraft treten. Der Justizminister betont nach dem Ministerrat, auf die Einwände im Begutachtungsverfahren eingegangen zu sein und nachgebessert zu haben.
Die Eckpunkte der Novelle bleiben wie gehabt: Die sexuelle Integrität wird ein notwehrfähiges Rechtsgut. Staatsfeindliche Bewegungen, die sexuelle Belästigung in Gruppen und Angriffe auf Mitarbeiter öffentlicher Verkehrsmittel werden strafbar – und tätliche Angriffe auf Beamte schärfer bestraft. Gegenüber dem ersten Entwurf wurden die Strafsätze teilweise gesenkt und der Reichsbürger-Paragraf konkretisiert.
Denn in der Begutachtung waren Bedenken laut geworden, dass auch zivilgesellschaftliche Kritik an Staat und Politik mit dem neuen Tatbestand bestraft werden könnte. Die SPÖ lehnte die Erstfassung ab und verhandelte mit dem ÖVP-Minister eine Neufassung aus.
Genauere Definition
Jetzt wird im Strafgesetzbuch (StGB) definiert, was unter staatsfeindlicher Bewegung zu verstehen ist: eine Gruppe vieler Menschen (mindestens rund 30), die die Hoheitsrechte der Republik rundweg ablehnt oder sich solche anmaßt. In den Erläuterungen steht ausdrücklich, dass gewaltfreie Proteste oder Aktionen – "wie die Besetzung der Hainburger Au" –, die sich kritisch mit Politik oder Behördenentscheidungen auseinandersetzen, nicht darunter fallen. Die Gründung beziehungsweise führende Betätigung in einer staatsfeindlichen Bewegung wird mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geahndet, die Teilnahme oder Unterstützung mit bis zu einem Jahr – sobald eine konkrete Handlung (etwa Bedrohung von Beamten) gesetzt wird.
Zum Teil Rechnung getragen wurde den kritischen Stellungnahmen, dass geplante neue Strafen unverhältnismäßig hoch seien. Der neue Tatbestand zu Angriffen auf Bedienstete öffentlicher Verkehrsmittel bleibt, auch wenn seine Sinnhaftigkeit in einigen Stellungnahmen bezweifelt worden war. Aber die Strafsätze wurden differenziert: Für tätliche Angriffe ohne Körperverletzung drohen bis zu sechs Monate, mit Körperverletzung zwei Jahre Haft. Auch der neue Paragraf zur sexuellen Belästigung in Gruppen bleibt bestehen, aber die Strafdrohung fällt geringer aus: Die "wissentliche Teilnahme" kann mit bis zu einem Jahr (ursprünglich zwei), die Verabredung dazu mit bis zu zwei Jahren (vorher drei) geahndet werden.
Hohe Strafen für Angriffe gegen Beamte bleiben
Nichts verändert hat Brandstetter an der höheren Strafe für tätliche Angriffe gegen Beamte: Sie wird von sechs Monaten auf zwei Jahre hinaufgesetzt – obwohl auch dies mehrfach kritisiert worden war.
Mit dem aktualisierten Entwurf könnten "die Bedenken der Theoretiker sowie die Erfordernisse der Praxis zu einem vernünftigen Kompromiss zusammengeführt werden", ist der Justizminister "froh, dass wir in sehr konstruktiven Gesprächen den Konsens mit der SPÖ gefunden haben". Er will mit seinem Strafrechtspaket – dem Staatsbürger-Paragrafen und dem verstärkten Schutz der Beamten – die "klare Botschaft" geben, dass "der Rechtsstaat nur glaubwürdig ist, wenn er auch durchgesetzt werden kann".
SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim freut sich – mit Blick auf den Staatsbürger-Tatbestand –, dass es in umfassender Diskussion gelungen sei, die Qualität zu verbessern. Jetzt sei sichergestellt, dass "demokratische Selbstverständlichkeiten nicht bestraft werden können". (APA, 3.5.2017)