Neiner OP muss das Gehirn lernen, akustische Reize richtig zu interpretieren.

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Seit den 1970er-Jahren ist das in Innsbruck ansässige High-Tech-Unternehmen MED-EL international führend bei der Entwicklung von Cochlear-Implantaten, die Taubheit und schwersten Hörverlust beheben können. In Wien wurde jetzt ein eigenes Rehabilitationszentrum etabliert.

Die Implantate, die in der Schnecke des Innenohrs über eine Sonde die Nervenzellen gemäß der von einem Mikrofon aufgenommenen Schallimpulse reizen, sind ein sprichwörtlicher Segen zum Beispiel für Kinder, welche mit schweren bis schwersten Hörschäden auf die Welt kommen. "Mit der Häufigkeit von einem bis zwei Fällen pro 1000 Kindern ist das häufiger als angeborene Stoffwechselerkrankungen", sagte Wolfgang Gstöttner, Vorstand der HNO-Universitätsklinik im Wiener AKH (MedUni Wien). Dort wurde das erste Cochlear-Implantat bereits 1977 eingesetzt.

"Das war die erste Möglichkeit, jemanden das Hören zu geben, der völlig taub ist", sagte der Experte. Derzeit bestehe ein Bedarf von rund 600 Cochlea-Implantaten pro Jahr in Österreich. "Wir könnten am AKH 120 pro Jahr durchführen, dürfen aber nur hundert machen", sagte Gstöttner. 30 Prozent der Systeme werden bei Kindern implantiert, 70 Prozent bei Erwachsenen. Bei den Kindern mit angeborenem Hörverlust erfolgt das am besten bereits im ersten Lebensjahr, um einen möglichst normalen Spracherwerb zu gewährleisten.

Reize interpretieren

Mitentscheidend ist bei allen Patienten die nach der Operation erfolgenden Rehabilitation. Das Gehirn muss erstmals oder zum zweiten Mal, wenn es schon einmal ein Hörvermögen gegeben hat, lernen, die akustischen Reize richtig zu interpretieren. "Eine geeignete Therapie bringt eine Steigerung des Sprachverständnisses um 20 Prozent", sagte Gstöttner.

MED-EL hat deshalb in Wien-Alsergrund ein Zentrum für ambulante Rehabilitation gegründet. Dort werden zwei Logopädinnen tätig sein. Es gibt einen Vertrag mit der Gebietskrankenkasse. Eine Studie für Großbritannien hat ergeben, dass eine Nicht- oder Unterversorgung von Patienten mit schweren Hörproblemen pro Jahr einen Schaden von umgerechnet 35,49 Milliarden Euro ausmacht, so MED-EL Area Manager Ewald Thurner. Eine österreichische Studie hätte gezeigt, dass ein Schuljahr für ein Kind in einer Normalschule rund 6.000 Euro koste. Könne ein Kind mit Hörverlust nicht die Normalschule besuchen, bedeute das Jahreskosten in einer spezialisierten Schule von 30.000 Euro.

"Ich bin unsagbar dankbar", erklärte Petra Trieb, eine Betroffene und Trägerin von zwei Cochlea-Implantaten, die ihr Hörvermögen aufgrund einer Pneumokokken-Gehirnhautentzündung im Alter von 13 Jahren komplett verlor. Innerhalb eines halben Jahres erhielt sie die Implantate. "Ich war überglücklich, als ich das erste Geräusch hörte – obwohl es Baulärm war." (APA, red, 3.5.2017)