Die Vjosa gilt als letzter unregulierter Wildfluss Europas außerhalb von Russland.

Foto: Gernot Kunz

Wien – Das albanische Staudammprojekt "Poçem" mit seiner mindestens 25 Meter hoch geplanten Staumauer ist von einem Gericht überraschend gestoppt worden. Die Richter des Verwaltungsgerichtshofs in Tirana hätten einer Klage der Projektgegner in erster Instanz recht gegeben, gab die Naturschutzorganisation Riverwatch am Mittwoch bekannt.

Die Vjosa gilt als letzter unregulierter Wildfluss Europas außerhalb Russlands. Sie entspringt im Pindosgebirge in Griechenland und mündet in Albanien in die Adria. Auf 270 Kilometern fließt sie fast frei von technischen Verbauungen. Ihr Flussbett wird dabei bis zu zwei Kilometer breit. Wissenschafter betonen immer wieder, dass dieses Flusssystem noch weitgehend unerforscht ist. Regelmäßig wird auch darauf aufmerksam gemacht, dass das noch weitgehend unberührte Gewässer von mehreren hundert in Bau oder in Planung befindlichen Energieversorgungsprojekten bedroht sei. Die Gründung eines Nationalparks wird gefordert.

Ein Team von 25 Forschern aus Deutschland, Österreich, Albanien und Slowenien macht mit dieser Aktion auf einer Flussinsel der Vjosa auf die Bedrohung der Naturlandschaft aufmerksam: Die Reise diente vor allem einer Bestandsaufnahme von Flora und Fauna. Ein Abschlussbericht soll an die albanische Regierung übermittelt werden.
Gregor Šubic / Scientists for Vjosa

Kritik an Genehmigungsverfahren

Die Naturschutzorganisationen Eco Albania, Riverwatch und Euro Natur hatten gemeinsam mit Anrainern Ende 2016 Klage gegen das Staudammprojekt "Poçem" eingebracht: Sie bemängelten den Text der Umweltverträglichkeitsprüfung als "Farce" und fordern, dass sie "internationalen Standards" entsprechend wiederholt wird. Die Flora und Fauna sei gar nicht untersucht worden. Die rechtlich vorgeschriebene Bürgerinformation habe nicht in der betroffenen Ortschaft stattgefunden, sondern 80 Kilometer entfernt.

Das Umweltministerium sowie das Unternehmen, das mit dem Bau beauftragt ist, haben nun laut Riverwatch 15 Tage Zeit, um Berufung einzulegen; eine Entscheidung in zweiter Instanz sei im Herbst zu erwarten. Die albanische Regierung verteidigt den Bau umstrittener Kraftwerksprojekte damit, dass es in dem Land immer wieder zu massiven Energieengpässen komme. (cmi, 3.5.2017)