Noch-Kanzler Werner Faymann bei Noch-Bahnchef Christian Kern im Herbst 2015 zu Besuch.

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Es ist gerade ein Jahr her, dass Werner Faymann als SPÖ-Chef und Bundeskanzler abgelöst wurde. Vor allem der linke Flügel in der Partei hatte ihm seinen Schwenk in der Flüchtlingsfrage nicht verziehen. Was Faymann auf den Kopf fiel, war aber weniger die Kurskorrektur an sich als sein Unvermögen, das realpolitisch begründete Abgehen von der "Willkommenskultur" zu einer Politik der Grenzzäune und Obergrenzen für Asylwerber offen und ehrlich zu begründen. Sein "Türl mit Seitenteilen" kostete ihn letztlich den Job.

Ersetzt wurde Faymann durch Christian Kern, dem die Rechten in der Partei wegen seiner Managerkarriere genügend Pragmatismus zutrauten, der aber dank der Bereitschaft der ÖBB im Herbst 2015, Flüchtlinge von der Grenze nach Wien und weiter nach Deutschland zu transportieren, auch bei den Linken Glaubwürdigkeit genoss.

Öffnung zu einer FPÖ-Option

Kern hat in seinem ersten Jahr der Kanzlerschaft den von Faymann eingeleiteten Rechtsruck fortgesetzt – und das nicht nur in der Asylpolitik. Unter ihm öffnet sich die SPÖ erstmals Koalitionen mit der Strache-FPÖ, und das zumindest theoretisch im Bund. Das ist die logische Folge des Kriterienkatalogs, der nun für zukünftige Koalitionen ausgearbeitet wird.

Dieser Kurswechsel ist höchst umstritten, aber selbst für manche Kritiker nachvollziehbar. Eine Fortsetzung der unbedingten Abgrenzungspolitik gegenüber den Freiheitlichen würde die Sozialdemokraten auf Gedeih und Verderb der ÖVP ausliefern – oder sie selbst dann in die Opposition zwingen, wenn Kern die kommende Nationalratswahl gewinnt. Und die Gruppen in der Partei, die mehr Berührungspunkte mit der FPÖ als mit der ÖVP sehen, werden immer größer.

Niedermühlbichler weicht Armin Wolf aus

Aber Kern und einige seiner Leute machen nun den gleichen Fehler wie einst Faymann. Statt diese Taktik klar darzulegen, zu argumentieren und zu verteidigen, drücken sie sich um klare Botschaften. Wer den SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler am Dienstagabend in der "ZiB 2" gesehen hat, wie er Armin Wolfs mehrmaliger Frage nach einer FPÖ-Koalitionsoption immer wieder auswich, konnte sich nur wundern. Wie kann es sein, dass die Parteispitze auf die wichtigste Frage keine Antwort gibt? Das riecht nach Vertuschung, die noch dazu für jeden sichtbar ist.

Auch wenn Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser offener an die Frage herangeht und der burgenländische Landeschef Hans Niessl überhaupt für Rot-Blau wirbt, bleibt Kern selbst so vage wie möglich. Er tut es eloquenter als Faymann, aber ebenfalls nicht ehrlich. Wer eine 30 Jahre alte politische Tradition aufgibt, muss das als Chef ganz klar erläutern.

Koalitionen sind keine Liebesheiraten

Eine mögliche Botschaft könnte lauten: "Wir wollen mit der FPÖ nicht koalieren, aber wir wollen sie nicht komplett ausschließen. Koalitionen sind keine Liebesheiraten, sondern Zweckbündnisse, und es kann eine Situation geben, in der wir sozialdemokratische Politik am besten in einer temporären Allianz mit der FPÖ erzielen können – aber nur, wenn wir die Ersten sind und die Bedingungen ganz klar diktieren."

So denkt man in der SPÖ-Zentrale, und so müsste die Parteispitze auch sprechen. Die Wahrheit ist auch den Genossen zumutbar. Das Herumdrucksen hat schon Faymann den Kopf gekostet. Das sollte Kern eigentlich vermeiden. (Eric Frey, 4.5.2017)