Wien – Rupert Doppler ist für die Sachbearbeiter in Österreichs Ministerien eine Art personifizierte Beschäftigungsgarantie. 1.256 parlamentarische Anfragen hat der frühere FPÖ- und seit 2015 fraktionslose Nationalratsabgeordnete seit Beginn der laufenden Legislaturperiode am 29. Oktober 2013 gestellt, also knapp 30 Stück pro Monat.

Manchmal will Doppler bloß Details zu einzelnen Straftaten wissen, wie es bei der Anfrage mit dem Titel "Attacke auf Polizeibeamtin in Salzburg" an das Innenministerium der Fall war: "Welcher Herkunft ist besagter '20-Jähriger aus der Stadt Salzburg'?" Manchmal verteilt er seine Neugier im Gießkannenprinzip auf mehrere oder alle Ministerien.

Das war auch Anfang März der Fall, als Doppler in kurzer Zeit 196 parlamentarische Anfragen verschickte – 14 gleichlautende an 13 Ministerien und das Bundeskanzleramt. Er nahm eine Aussendung über die Bilanz der in der "Betreuung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden" tätigen ORS Service GmbH als Anlass für die Frage, welche Geld- und Sachleistungen im Asylwesen aktive Hilfseinrichtungen und Unternehmen von den Ressorts zwischen Jänner 2015 und Februar 2017 erhalten haben. Nun sind die letzten Beantwortungen veröffentlicht worden.

In Summe knapp 212 Millionen Euro wurden an die 14 Einrichtungen überwiesen, zu denen sowohl ausschließlich im Asylwesen tätige Vereine wie die Asylkoordination Österreich und Asyl in Not als auch breiter agierende NGOs wie Volkshilfe, Caritas und Diakonie zählen. Letztere bieten auch Resozialisierungsprogramme nach der Haft oder psychologische Betreuung für Gewaltopfer an, also kann nicht der gesamte Betrag als Finanzierung des Asyl- und Integrationswesens verstanden werden.

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Das mit fast 182 Millionen Euro – 86 Prozent des Gesamtbetrags – teuerste Element in der Grafik betrifft jedoch den Kern des Asylwesens: Es handelt sich um Zahlungen aus dem Innenministerium an das gewinnorientierte Unternehmen ORS, das mit diesen Mitteln Unterbringung, Verpflegung, Beratung und Transporte von Asylwerbern in Bundesbetreuungsstellen wie Traiskirchen und Thalham finanziert. Auch Taschengelder in der Höhe von 3,68 Millionen Euro wurden zwischen Anfang 2015 und Februar 2017 davon bezahlt.

Seit 2003 privatisiert

Die Flüchtlingsbetreuung des Bundes wurde im Jahr 2003 unter dem damaligen Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) privatisiert. Der Vertrag mit ORS besteht seit 2011. Das Unternehmen war im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung als Bestbieter ausgewählt worden, heißt es aus dem BMI zum STANDARD. Man sei mit dem Dienstleister "zufrieden".

2015 flossen insgesamt 68,9 Millionen Euro aus dem Innenministerium an ORS, 2016 waren es 104,2 Millionen und im Jänner 2017 weitere 8,53 Millionen. Zum Vergleich: Laut BMI beliefen sich die Ausgaben für die Grundversorgung von Flüchtlingen 2015 und 2016 auf insgesamt rund 770 Millionen Euro. Hier fallen auch die Kosten aus der Vereinbarung zwischen Bund und Ländern hinein – also für die Betreuung von Asylwerbern, die bereits in Länderquartiere überstellt wurden: Der Bund zahlt 60, das jeweilige Land 40 Prozent. Die Abrechnung für Anfang 2017 steht noch aus.

Die Bundesbetreuungsstelle in Traiskirchen.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Wie viel das BMI für die ORS-Dienste ausgibt, war bisher nicht bekannt. Das Abkommen des Innenministeriums mit der Österreich-Tochter der 1977 in der Schweiz gegründeten ORS Service AG stand schon in der Vergangenheit in der Kritik. Beide Seiten hatten sich auf eine Geheimhaltungsklausel verständigt, die den Sockelbetrag im Dunkeln lässt. Diesen bekommt ORS zusätzlich zum Tagsatz von bis zu 21 Euro pro Asylwerber, den auch NGOs für die Betreuung erhalten.

Caritas größter nichtgewinnorientierter Empfänger

Die größte Zahlung an eine nichtgewinnorientierte Einrichtung ging mit 11,5 Millionen Euro ebenfalls vom Innenministerium aus, in diesem Fall an die Caritas.

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Dahinter folgen 5,37 Millionen aus dem Innenressort und 3,66 Millionen aus dem Bundeskanzleramt, jeweils an den Verein Menschenrechte Österreich. Drei weitere niedrige Millionenbeträge scheinen in den Beantwortungen auf, 25 andere Posten waren sechsstellig oder niedriger. Vier von fünf der parlamentarischen Anfragen waren mangels Transfers von Geld- oder Sachleistungen Leermeldungen. Vier der 14 angefragten Einrichtungen erhielten keine ministeriellen Aufträge oder Förderungen.

Das Innenministerium war mit Gesamtausgaben von 201,9 Millionen Euro der größte Geldgeber, dahinter folgen das Bundeskanzleramt mit 3,72 Millionen und das Außenministerium mit 3,11 Millionen. Gar keine Zahlungen gingen von den Ministerien für Verkehr, Familien, Gesundheit, Wissenschaft, Finanzen und Umwelt aus. (Michael Matzenberger, Gerald Gartner, Christa Minkin, 4.5.2017)