Die Aufgabe des Mindestkurses von 1,20 Franken hat bei vielen Kreditnehmern zu einer Erhöhung ihrer Schulden geführt. Ein rechtskräftiges Urteil vom Handelsgericht Wien könnte Betroffenen nun helfen, ihren Schaden ersetzt zu bekommen.

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Wien – Wer einen Kredit in Schweizer Franken aufgenommen hat, hat mittlerweile meist eine lange Leidensgeschichte hinter sich, die auch eng mit dem 15. Jänner 2015 verbunden ist. An diesem Tag hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) überraschend den Euro-Mindestkurs von 1,20 Franken aufgehoben. Und das, obwohl noch wenige Tage zuvor der Chef der SNB, Thomas Jordan, via Aussendungen und in einem Interview bekräftigte, dass die SNB den Mindestkurs aufrechterhalten werde. Die Folge: Der Franken ist rasant gestiegen, und die in Franken aufgenommenen Kredite haben sich massiv verteuert.

Rund um die Frankenkredite hat es in den vergangenen Jahren bereits viele Klagen gegeben in der Hoffnung, zumindest einen Teil des entstandenen finanziellen Schadens wiedergutmachen zu können. Denn diese Kredite wurden nicht nur Häuselbauern verkauft mit der Idee, dass sie den Zinsvorteil nutzen können, sondern sie wurden auch als Pensionsvorsorge vermittelt. Da im Zuge der Finanzkrise auch viele Tilgungsträger – mit denen am Ende der Kredit bezahlt werden soll – unter Wasser waren, spitzte sich die Lage für die Fremdwährungskreditnehmer zu.

Vielen wurde dann wohl erst bewusst, was es heißt, einen solchen Kredit zu haben. Fehlende oder mangelhafte Beratung wurde daher oft als Grund angegeben, um eine Klage anzustreben. Da die Beratung für den Produktabschluss oft aber schon Jahre zurücklag, zog dieses Argument vor Gericht wegen der Verjährungsfrist meist nicht.

Der 15. Jänner 2015 ist es nun aber auch, der für geschädigte Kreditnehmer einen Hoffnungsschimmer bietet. "Banken und Vermittler hätten ihre Kunden aufklären müssen, was im Fall des Endes des Mindestkurses passiert", sagt Rechtsanwalt Gerald Waitz. Wurde das nicht gemacht, bestehen nun möglicherweise gute Chancen vor Gericht. Denn es gibt mittlerweile ein rechtskräftiges Urteil (62Cg7/16s) vom Handelsgericht Wien, das Waitz für einen Klienten erkämpft hat und als Basis dienen kann.

Vermittler musste Schaden ersetzen

Der Hintergrund: Einem Kunden aus Oberösterreich wurde ein Frankenkredit als Modell für die Pensionsvorsorge verkauft. Die von dem Kunden eingebrachte Klage wurde darauf gestützt, dass es bei der Beratung zwar Thema gewesen sei, dass die Mindestbindung von 1,20 aufgehoben werden könnte, dem Kunden aber nicht gesagt worden sei, was mit dem Kurs des Franken dann passieren würde. Das Gericht habe sich folglich auf ein Gutachten gestützt, das besage, dass Experten wissen müssten, dass der Kurs steige und dies die Kredite verteuere. "Auch Unwissen schützt in diesem Fall nicht vor rechtlichen Folgen", sagt Waitz. Das Gericht entschied, dass die Beratung in diesem Punkt mangelhaft gewesen sei. Der Vermittler musste dem Betroffenen seinen Schaden von rund 30.000 Euro ersetzen. Weil der Kredit im Herbst 2016 fällig geworden war, war der Schaden auch klar zu beziffern.

Waitz rät nun betroffenen Frankenkreditnehmern, zu handeln und zu prüfen, ob die Entwicklung des Frankenkurses bei Ende des Mindestkurses Thema der Beratungsgespräche war. Doch die Zeit läuft. Denn ab der Kenntnis des Schadens haben Betroffene drei Jahre Zeit, eine Klage einzubringen. Wer sich auf die Aufgabe der Mindestbindung berufen will, muss daher bis 15. Jänner 2018 aktiv werden – andernfalls greift auch hier die dreijährige Verjährung.

Der kürzlich gegründete Verein Frankenfrei sucht Betroffene und hat einen Kurzfragebogen entwickelt, mit dem geprüft werden kann, ob der jeweilige Fall dem Muster entspricht, welches das Gericht nun anerkannt hat. Diese Fälle – derzeit haben sich bereits rund 50 Betroffene gemeldet – sollen zusammengefasst und mit einem Prozessfinanzierer angegangen werden, sagt Waitz. Denn viele Frankenkreditnehmer seien bereits am finanziellen Limit und könnten Kosten für einen Prozess nicht mehr stemmen.

Mögliche Ansprüche absichern

Das Burgenland unterstützt die Arbeit des Vereins. Verena Dunst, als Landesrätin unter anderem für den Bereich Konsumentenschutz zuständig, will mit einer Kampagne Betroffene informieren und ermutigen. "Wenn es eine Chance gibt, erlittenen Schaden bei Frankenkrediten zu lindern, muss diese genützt werden", sagt Dunst. Auch eine Kooperation mit dem Verein für Konsumenteninformation (VKI) wäre denkbar, sagt Waitz. Denn auch wenn der Kredit erst in der Zukunft fällig werde und erst dann klar sein werde, ob es einen Schaden gebe, sei es laut Waitz ratsam, jetzt eine Feststellungsklage einzubringen. Werde dieser stattgegeben, werde ein Schaden dann bei Fälligkeit eruiert und ausgeglichen.

Die Finanzmarktaufsicht FMA hat zudem ihre Mindeststandards zu Fremdwährungskrediten und Krediten mit Tilgungsträgern verschärft. Sie zwingt Banken, die Kreditinhaber zu einem persönlichen Gespräch zu laden, bei dem über Maßnahmen zur Risikobegrenzung informiert wird. Das kann eine Konvertierung in einen Eurokredit oder die Umstellung endfälliger Kredite auf einen Abstattungskredit sein. Das Gespräch muss von einem erfahrenen Bankmitarbeiter auf Basis eines standardisierten Prozesses geführt werden. Schon im Krisenjahr 2008 hat die FMA die Neuvergabe von Fremdwährungskrediten gestoppt, seither wurde das aushaftende Volumen um 28 Mrd. Euro oder 60 Prozent abgebaut. 110.000 Haushalte haben aktuell 21 Mrd. Euro Schulden in fremden Währungen. (Bettina Pfluger, 4.5.2017)