Mehr als drei Jahre sind seit dem Euromaidan vergangen, jener Protestbewegung gegen den ehemaligen ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch, die das Land Richtung Westen führen sollte und schließlich in einen prorussischen Aufstand im Osten mündete. Seither leidet die Ukraine, leidet Europa unter der täglichen Gewalt im Donbass.

Manche Ukrainer jedoch denken gar nicht daran, sich mit dem "frozen conflict" in ihrem Land abzufinden. Zum Beispiel die jungen Leute von der "Youth Contact Group" der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Sie wollen sie auftauen, die eingefrorenen Kommunikationskanäle – und die eigefrorenen Gemüter auf beiden Seiten, wie sie gerne betonen.

Dass das nicht von heute auf morgen geht, ist den Aktivisten klar. "Aber wir müssen Vorurteile und Stereotypen abbauen", sagt der 21-jährige Demyd zum STANDARD. Jeden Dienstag trifft er sich im westukrainischen Lwiw (Lemberg) mit den anderen Mitgliedern seiner Gruppe und tüftelt mit ihnen an neuen Projekten. So ist zum Beispiel die "Ukrainische Brücke" entstanden, ein Videoprojekt, das Menschen aus allen Landesteilen zusammenbringen soll – auch über die sogenannte Kontaktlinie hinweg, hinter der die prorussischen Separatisten das Sagen haben.

Das Prinzip ist einfach: Die meist jugendlichen Teilnehmer registrieren sich auf einer Plattform im Internet und werden per Zufallsauswahl paarweise zusammengespannt – vorausgesetzt, sie kommen nicht aus derselben Region. Über Videoschaltung lernen sie einander kennen, tauschen Erfahrungen und Perspektiven aus, und nicht selten entstehen daraus echte Freundschaften.

Kunst und Kriegsalltag

In einem anderen Projekt werden Künstler aus verschiedenen Regionen vernetzt, die den Konflikt im Osten in ihren Arbeiten thematisieren. Die Werke werden dann auf gemeinsamen Ausstellungen gezeigt. "Man soll sehen, wie sich der Konflikt im täglichen Leben der Menschen niederschlägt, was die Konsequenzen des Krieges sind", erklärt Demyd.

Etwa 15 Mitglieder hat Demyds Aktivistenkreis in Lwiw. In der Hauptstadt Kiew und einigen anderen Städten gibt es weitere Gruppen, insgesamt engagieren sich in der Youth Contact Group mehrere Dutzend Jugendliche. Ins Leben gerufen wurde die Organisation im Jahr 2015 von der OSZE-Beobachtermission SMM. Junge Leute sollten dabei unterstützt werden, "ihre eigenen Ideen in die Normalisierung und Stabilisierung des Landes einzubringen", hieß es damals.

Als der aktuelle OSZE-Vorsitzende, Österreichs Außenminister Sebastian Kurz, heuer im Jänner die Ukraine besuchte, traf er in Kiew auch mit Mitgliedern der Youth Contact Group zusammen und ließ sich über ihre Projekte informieren. "Für mich war das ein Schritt vorwärts bei der Anerkennung der Rolle, die die Jugend in der Konfliktbewältigung spielen kann", sagt Demyd.

Der Linguistikstudent spricht acht Sprachen, nun zieht es ihn in die Politik oder in die Diplomatie: Anfang des Jahres hat er zusätzlich internationale Beziehungen inskribiert. Geboren ist Demyd in der Nähe von Luhansk, in jenem Teil der Ostukraine, der heute von den Rebellen kontrolliert wird.

In seinen Geburtsort fährt er derzeit lieber nicht. Vor allem aus Sicherheitsgründen. "Ich bin in Lwiw registriert, und Menschen aus der Westukraine werden im Osten oft negativ wahrgenommen. Das könnte eine Gefahr für mich sein." Für die Leute von der OSZE Youth Contact Group gibt es noch eine Menge zu tun. (Gerald Schubert aus Kiew, 4.5.2017)