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Der Streit um Julia Samoilowa bedroht Kiews Imageoffensive.

Foto: AP / Maria Antipina

Kiew/Moskau – Kiew putzt sich für den Song Contest heraus, doch Feststimmung kommt in der Ukraine nicht auf. Der Wettbewerb wird von politischen Skandalen überschattet, die Spaltung des Landes scheint unumkehrbar, und die Geldsorgen bleiben groß. Fünf Fanmeilen haben in Kiew schon ihren Betrieb aufgenommen, Obdachlose werden eifrig aus der Stadt gekarrt. Dabei startet der Bewerb erst am 9. Mai. Die Vorfreude ist getrübt: Das Auftrittsverbot für die russische Sängerin Julia Samoilowa schadet dem Image und facht den Streit mit Moskau an.

Streitthemen gibt es mehr als genug. Die zunehmende Russifizierung des Donbass-Gebiets ist eines davon. In den vergangenen Wochen flammten die Kämpfe mit neuer Heftigkeit auf. Für den Ende April nahe Luhansk getöteten OSZE-Beobachter und die zwei Verletzten schieben sich beide Seiten gegenseitig die Schuld zu.

Durch die Rubeleinführung und Anerkennung der Separatistenpässe hat der Kreml die von der Ukraine abtrünnige Region enger an sich gebunden. Aber Kiew kappt selbst alle Verbindungen, zuletzt schaltete es in Luhansk den Strom ab. Zuvor schon hatte die Regierung die von Nationalisten begonnene Blockade der Region sanktioniert und damit die Hoffnung auf eine Wiederannäherung durch wirtschaftliche Verflechtung endgültig begraben.

Während die Separatisten die Kohle nun an Russland verkaufen, muss die Ukraine den Brennstoff importieren. Auf Hilfe von außen kann Kiew nicht zählen. Die USA wollen ihr Hilfsprogramm 2018 um 70 Prozent von über 570 Millionen Dollar auf 177 Millionen herunterfahren. "Für Präsident Trump haben Slogans über den Aufbau einer westlichen Demokratie in der Ukraine und Erfolge im Kampf gegen die Korruption kein Gewicht. Sie fügen sich einfach nicht in sein Weltbild ein", analysiert Peter Zalmayev von der Eurasia Democracy Initiative in New York den möglichen Wegfall.

Etwas Licht am Horizont

Der IWF hat zwar mit Verzögerung wieder Kredit gegeben, für weitere Tranchen aber neue Forderungen wie die Anhebung des Pensionsalters gestellt. Dabei hat Kiew schon einige Reformen verabschiedet: Gaspreise wurden angehoben, die neue Streifenpolizei eingeführt, im Bankensystem aufgeräumt. Zumindest der freie Fall der Wirtschaft konnte so abgefedert werden. Nach zwei Jahren BIP-Verfalls gab es 2016 wieder ein Wachstum von 2,3 Prozent. Die Chefvolkswirtin der ukrainischen Investmentgesellschaft Dragon Capital Olena Bilan führt das auf die Wiederbelebung des Konsums zurück. "Investitionen ins Grundkapital haben sich durch steigende Kapitalanlagen in Betriebe der Landwirtschaft und verarbeitenden Industrie, oder in den Handel über das Jahr um 20 Prozent erhöht", führt sie auf.

Bilan zufolge braucht die Ukraine derzeit nicht akut Geld. Doch in den nächsten Jahren werden die Rückzahlungen für Kredite steigen. Dazu sind neue Investitionen nötig. Investoren werden genau schauen, wer die gerade zurückgetretene Nationalbankchefin Walerija Gontarewa beerbt, ob es neue Intrigen gibt – und wie Kiew seine Schulden bedient; auch gegenüber Russland, dem die Ukraine einen Dreimilliardenkredit zurückzahlen muss. (André Ballin, 3.5.2017)