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Geld scheffeln, darin baden, darüber reden: Daniel Häni kippte einst vor dem Schweizer Parlament Millionen Rappen-Stücke aus einem Lkw. Bei der Finanzierung des Grundeinkommens bleibt er vage.

Reuters / Denis Balibouse

Daniel Häni: "Ich will in keiner Gesellschaft leben, in der die Toiletten geputzt werden, nur weil Leute, die das tun, Existenzangst haben."

Heribert Corn

Mit Philip Kovce veröffentlichte Daniel Häni jüngst ein Manifest zum Grundeinkommen: "Was würdest Du arbeiten, wenn für Dein Einkommen gesorgt wäre?"

STANDARD: Sie fragen Menschen regelmäßig, was sie arbeiten würden, wenn für ihr Einkommen gesorgt wäre. Was würden Sie denn tun?

Häni: Das Gleiche, aber besser. Es geht beim bedingungslosen Grundeinkommen ja nicht um mehr Geld, sondern um mehr Freiheit. Könnten Menschen ihre Fähigkeit freier einbringen, würde das zu besseren Arbeitsresultaten führen und die Gesellschaft dynamisieren.

STANDARD: Was macht Sie so sicher, dass der Mensch im Grunde seiner Seele nicht doch ein Faulpelz ist?

Häni: Bei Kindern können Sie das gut beobachten: Wenn Sie ihnen was auftragen, ohne ihnen zu vermitteln, ob es Sinn macht, wollen sie es nicht machen. Dann ist Faulheit etwas Gesundes. Das Grundeinkommen setzt keinen besseren Menschen voraus, und es ist auch keine karitative Veranstaltung. Es geht darum, eine Gesellschaft durch weniger Bevormundung auf gesündere Beine zu stellen.

STANDARD: Mit Einkommen, an das keinerlei Leistung geknüpft ist?

Häni: Menschen sind weniger manipulierbar und verführbar, ist ihre Existenz gesichert. Hätten die USA das bedingungslose Grundeinkommen, wäre Trump niemals Präsident geworden. In Österreich hätten populistische Bewegungen am rechten Rand weniger Zulauf. Wir hätten weniger Wutbürger, dafür mehr Mutbürger.

STANDARD: Eine These. Bisher hat jedoch keine einzige Gesellschaft Erfahrungen damit.

Häni: Sie haben recht. Meine Erfahrung aber ist, dass Menschen arbeiten wollen; sie wollen es nur selbstbestimmt tun. Zudem stecken wir durch die Digitalisierung im Umbruch. Fleiß und Gehorsam waren einst große Tugenden. In Zukunft sind wir mit ihnen schlecht aufgestellt. Was es braucht, sind keine gehorsamen, sondern kreative und selbstbestimmte Menschen. Das Grundeinkommen ist überfällig und nur eine Frage der Zeit. Offen ist, ob es aus der Not heraus kommen wird, oder ob wir es hinbringen, es uns gegenseitig zuzusprechen.

STANDARD: Gönnen Menschen ihren Mitmenschen eine Existenz ohne Bedingungen? Überschätzen Sie ihre Menschlichkeit nicht erheblich?

Häni: Das Gönnenkönnen müssen wir noch lernen. In der Schweiz waren bei der ersten Abstimmung 23,1 Prozent dafür. Das ist ein bemerkenswerter erster Schritt.

STANDARD: Werden die Schweizer weitere Anläufe dazu nehmen?

Häni: Ja. Wir haben sie am Abstimmungssonntag gefragt, ob sie denken, dass es eine zweite Abstimmung geben wird. 69 Prozent gingen davon aus. Es wird nicht heute oder morgen sein – aber vielleicht schneller, als wir denken.

STANDARD: Die Finnen und Niederländer experimentieren derzeit damit. Was hören Sie von ihnen?

Häni: Aus den Niederlanden gibt es noch keine Resultate, Finnland gibt nicht viel dazu her. Dort wird getestet, was passiert, ist Arbeitslosengeld an keine Bedingung geknüpft. Mit bedingungslosem Grundeinkommen hat das aber wenig zu tun.

STANDARD: In Österreich wird ein Mindesteinkommen diskutiert. Ist das für Sie eine Alternative?

Häni: Das ist ein Festhalten am alten System, ein Pflaster auf der infizierten Wunde. Man versucht, einen Schaden aus der Vergangenheit zu flicken. Dass man von der Erwerbsarbeit leben kann, muss selbstverständlich sein, alles andere ist eine Schande.

STANDARD: Auch ein Frauenvolksbegehren soll Baustellen beim Einkommen hierzulande beseitigen.

Häni: Eine weitere Schande ist es, dass unsere Gesellschaft Frauen derart benachteiligt. Das höchste Armutsrisiko ist es, Frau und alleinerziehend zu sein. Das Grundeinkommen ist eine gute Antwort darauf. Es ist uremanzipatorisch.

STANDARD: Die Gretchenfrage aber bleibt die Finanzierung.

Häni: Es ist kein zusätzliches Einkommen, wir müssen deswegen ja nicht mehr Geld drucken. Die entscheidende Frage ist, warum wir es nicht wollen. Ist es Angst vor Machtverlust? Angst, man könne Menschen nicht an der Leine führen? Ich aber will in keiner Gesellschaft leben, in der die Toiletten geputzt werden, nur weil Leute, die das tun, Existenzangst haben. Mit Details der Finanzierung sollten wir uns nicht aufhalten, bevor der Grundsatz entschieden ist.

STANDARD: Und was wird aus den Jobs, die keiner machen will?

Häni: Die müssen wir besser wertschätzen. Wieso verdient die Kindergärtnerin weniger als der Investmentbanker, obwohl ihre Arbeit wahrscheinlich wertvoller für die Gesellschaft ist? Investmentbanker schaffen sich im Übrigen durch die Digitalisierung selbst ab, weil Computer besser Lottospielen können als sie.

STANDARD: Was ist mit Sozialleistungen? Wer bezahlt Krankenversicherungen, Pensionen, Unterhalt? Was ist mit jenen, die zusätzliche staatliche Hilfestellung benötigen?

Häni: Keine soziale Errungenschaft wird abgeschafft. Wo höhere Sozialleistung nötig ist, wird sie natürlich bestehen bleiben. Es geht nicht um ein Sparprojekt.

STANDARD: Die Kluft zwischen Arm und Reich geht weiter auf. Kritiker des Grundeinkommens sehen darin kein probates Mittel, um diese Entwicklung zu bremsen.

Häni: Es ist auch kein Umverteilungsprojekt von Geld, sondern eine Umverteilung von Macht. Es wird immer Menschen mit viel und mit weniger Geld geben. Aber Konkurrenz um die Existenz ist menschenunwürdig und verderblich. Gibt es den prekären Niedriglohnbereich nicht mehr, tut dies der gesamten Gesellschaft gut.

STANDARD: Die Wirtschaft leidet bereits jetzt unter Fachkräftemangel. Was, wenn sich das Gros der Leute entscheidet, lieber zu garteln, als sich zum Mechatroniker ausbilden zu lassen, lieber Bilder zu malen, als IT-Experte zu werden?

Häni: Die Menschen werden ihren Talenten mehr nachgehen, was zu einer höheren Qualifizierung führen wird. Unser Fachkräftemangel hat mit dem Schulsystem von heute zu tun: Und es braucht etwa für das Handwerk ebenso mehr Wertschätzung wie für den Bereich der Pflege.

STANDARD: Warum kam eine der Initialzündungen für das Grundeinkommen gerade aus der vermögenden Schweiz?

Häni: Es geht um großen zivilisatorischen Fortschritt, um unsere Gesellschaft auf die nächste Stufe zu bringen. Die Schweiz hat dazu mit der Volksabstimmung das richtige politische Instrument.

STANDARD: Würde die Schweiz mit einem Grundeinkommen nicht ein Magnet für Zuwanderer werden?

Häni: Nein, das Grundeinkommen ist migrationsneutral. Man müsste natürlich mit einer Frist regeln, ab wann und wie lange man dazu berechtigt ist.

STANDARD: Sie selbst kämpfen seit bald 30 Jahren fürs Grundeinkommen. Was treibt Sie dabei eigentlich an?

Häni: Ich habe den Eindruck, die Menschen arbeiten unter ihren Möglichkeiten. Hören wir doch endlich auf damit, ihnen die Lust am Leben zu nehmen. Viele sind frustriert, rennen im Halbschlaf rum, ducken sich und halten den Mund. Als Arzt würde ich mehr Selbstbestimmung und einen Schuss Anarchie verschreiben. (Verena Kainrath, 3.5.2017)