Zähne ziehen ist nichts für schwache Nerven.

Foto: APA/dpa/Patrick Seeger

Bernadette Redl beschäftigt sich von Berufs wegen mit Gesundheit. Manchmal ist sie selbst krank oder muss zum Arzt. Hier erzählt sie davon.

Foto: cremer/rawicka/istock

Krrrrscht – so in etwa hört es sich an, wenn Weisheitszähne gezogen werden. Ich weiß das, weil es vergangene Woche bei mir so weit war. Obwohl sie mir nach meinem Vernehmen nie Probleme machten, riet die Zahnärztin, meine drei Weisheitszähne entfernen zu lassen. (Ich habe tatsächlich nur drei und nicht vier – evolutionär gesehen, bin ich den vierweisheitszähnigen Menschen also einen Schritt voraus, juhu!)

Die Zahnärztin hatte zuvor bemerkt, dass meine Zähne auf der weisheitszahnlosen Seite in einem besseren Zustand sind als jene auf den restlichen dreien. Dort, so die Ärztin, würden sich zwischen Weisheitszähnen und Zahnfleisch unputzbare Zwischenräume bilden, die Wohlfühlzonen für Bakterien sind.

Also raus damit, sagte ich mir und war nervös. Das Gefühl verdrängte ich mit Vorbereitung und Infos aus dem Internet. Ich fror also Kammillenteeeiswürfel und Kühlakkus ein, kochte Apfelmus und Bananen-Haferflocken-Brei, kaufte extra weiches Toastbrot und legte schon vor meinem Termin Schmerztabletten, Lektüre und Strohhalme bereit. Aus Polstern baute ich einen Berg, denn aufrecht schlafen, so recherchierte ich, reduziert die Blutung. In meine Tasche packte ich meinen weichen Stressball, auf ihm herumzudrücken hilft mir in nervenaufreibenden Situationen.

Halb so schlimm

Und dann war es so weit. Nach der ersten Spritze in den Oberkiefer kam der erste Zahn raus. Fast unbemerkt war er draußen, lag blutig vor mir auf der Ablage. Wenn das so einfach geht, ist es wirklich halb so schlimm, dachte ich.

Doch die zwei Zähne im Unterkiefer waren sehr fest verankert und somit hartnäckiger. Beim ersten brach ein Stück ab, es zu entfernen dauerte lange, die Zahnärztin musste wiederholt das Instrument wechseln. Der dritte hatte es besonders in sich. Mit aller Kraft hängte die Ärztin sich hinein, ihre Assistentin hielt meinen Kopf – obwohl ich durch die Betäubung nur einen leichten Druck und keine Schmerzen spürte, fühlte es sich an, als würde der Kiefer gleich aus dem Gelenk springen. Die Zahnärztin redete mir gut zu, beruhigte mich mit erklärenden Worten. Meinen Stressball drückte ich, bis die Knöchel gelb wurden.

Nach einer Stunde war es endlich vorbei, die Anspannung ließ nach. Und jetzt konnte ich endlich froh sein, dass gleich alle drei Zähne auf einmal weg waren, die Zahnärztin hatte mir die Entscheidung überlassen. Die nächste Frage: Was passiert, wenn die Betäubung nachlässt?

Blut im Mund

Diverse Ratschläge für diese Zeit hatten mir Kollegen und Freunde mitgegeben: Du musst sofort kühlen! Geh gleich schlafen, solange die Betäubung noch wirkt! Erst einmal freute ich mich, meine Schwester im Wartezimmer zu sehen. Sie hatte ich darum gebeten, mich nach Hause zu begleiten. Für den Fall, dass ich im Bus zusammenklappe, dachte ich. Tatsächlich ging es mir auf der Heimfahrt gut. Die wichtigste Aufgabe meiner Begleiterin, so stellte sich schnell heraus, war, mich darauf aufmerksam zu machen, ob mir unbemerkt Blut aus dem betäubten Mund läuft.

Daheim angekommen, schluckte ich gleich eine Schmerztablette und hielt mir Kühlakkus an beide Wangen. Die Betäubung ließ nach, ich spürte nichts. Nach ein paar Stunden ging ich schlafen. Als ich am nächsten Tag aufwachte, hatte ich kaum Schmerzen, die Wangen waren nicht geschwollen. Ob es an Kühlung und Schmerzmitteln lag oder ich das Zähneziehen einfach gut vertragen habe, weiß ich nicht.

Einen Internet-Rat, den ich beherzigte, war die weiche Nahrung. Brei, Brei, Brei! Sogar den kaute ich nur mit den Vorderzähnen. Obwohl ich die Löcher nicht näher begutachtet habe, fühlt es sich so an, als würden sie langsam verschwinden.

Mitgenommen habe ich die Weisheitszähne übrigens nicht. Als die Assistentin mich danach fragte, sah ich mir die Beißer an, wie sie da voller Blut, teilweise in Stücke zersprungen, vor mir lagen. "Nein, bloß nicht!", sagte ich schnell. Obwohl es im Nachhinein halb so schlimm war: Ein Andenken an diesen Tag brauche ich wirklich nicht. (Bernadette Redl, 7.5.2017)