Als Monate vor der Vorstellung durchsickerte, dass Apple beim iPhone 7 den Kopfhörerstecker entfernen würde, war die Aufregung groß. Im Bezug auf das neue Apple-Handy, das dann auch tatsächlich ohne der 3,5mm-Klinke auf den Markt kam, wurde kaum über etwas anderes gesprochen. Dass Motorolas Moto Z, das bereits etwas früher an den Start ging, sich des altbekannten Anschlusses entledigte, wurde beinahe zur Randnotiz. Hierzulande unbemerkt blieb auch, dass der chinesische Hersteller LeEco bei seinen neueren Spitzengeräten den Stecker ebenfalls eingespart hatte.

Seitdem war es ruhig geblieben. Erste Gerüchte, wonach Samsung beim Galaxy S8 dem Beispiel folgen, und einen proprietären Anschluss einführen würde, erwiesen sich schnell als falsch. Doch möglicherweise haben andere Hersteller lediglich abgewartet, denn langsam scheint Apples Beispiel Schule zu machen. Neue Leaks zu Geräten von HTC und Huawei deuten auf eine neue Entwicklung hin.

Apples iPhone 7 könnte – mit einigen Monaten Abwarten – einen Dammbruch eingeleitet haben.
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HTC-Flaggschiff ohne Audioklinke

Mit dem "U 11" soll HTC demnächst ein neues Flaggschiff an den Start bringen. Das Gerät folgt dem in der Presse als gut, aber unspektakulär besprochenen HTC 10. Auszeichnen soll sich das Gerät nicht nur mit starker Hardware, sondern auch mit einem "drückbaren" Rand, der neue Eingabemöglichkeiten eröffnen soll.

Neueste Leaks verraten allerdings, dass es keinen klassischen Kopfhörerstecker mehr geben wird. Stattdessen muss Audioequipment künftig an den USB-C-Stecker angehängt werden. Wer den Umstieg (noch) nicht mitmachen will, kann mittels beigelegtem Adapter auch sein altes Headset anschließen.

Eine Lösung, die man vom iPhone 7 kennt, wo statt USB Apples eigener Lightning-Standard zum Einsatz kommt. Die Nachteile dieser Lösung: Gleichzeitiges Aufladen und Musikhören ist nicht möglich, außer man schließt ein kleines Dock an, wie es mittlerweile von ein paar Drittherstellern angeboten wird. Zudem funktionieren auf einigen klassischen Headsets die Lautstärketasten am Kabel nicht, wenn man sie über den Adapter anhängt. Durchaus möglich, dass dieses Problem auch bei USB-C-Adaptern auftreten wird.

Honor 9 spart Stecker aus

Nun könnte man auch HTC als Einzelfall ohne Präzedenzwirkung abtun. Die einstige Größe im Android-Segment soll mittlerweile bei einem Marktanteil von unter zwei Prozent liegen. Wer um den Bestand der Buches fürchtet, sollte sich allerdings Sorgen um den nächsten Schritt von Huawei machen.

Dessen etwas günstigere, auf jüngere Käufer zugeschnittene Marke Honor wird bald mit dem Honor 9 ein neues Topgerät präsentieren. Auf geleakten Renderings, die einen sehr authentischen Eindruck machen, ist das Gerät von allen Seiten zu sehen. Und auf keiner findet sich eine 3,5mm-Buchse, womit die Bilder vorherige Angaben ob ihres Fehlens bestätigen.

Alleine im Online-Smartphoneverkauf in China soll Honor laut Sino Market Research den Spitzenplatz mit einem Anteil von 23 Prozent einnehmen. Auch international werden die Geräte verkauft. Auf westlichen Märkten dürfte der Marktanteil noch vergleichsweise klein sein. Mutterfirma Huawei selbst hat sich laut Strategy Analytics und Gartner aber mittlerweile zum drittgrößten Smartphonehersteller der Welt gemausert. Am österreichischen Markt kam man im Sommer 2016 laut GfK-Angaben auf einen Marktanteil von 18,9 Prozent.

Die Technologie hinter der Audiobuchse ist bereits einige Jahrzehnte alt und hat sich bislang gut bewährt.
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Zweifelhafte Vorteile

Apple und auch Intel haben in der Vergangenheit betont, dass Lightning bzw. USB-C der "guten, alten" Buchse technisch überlegen seien und Nutzern höhere Audioqualität und mehr Anpassungsmöglichkeiten böten. Bei der Präsentation des iPhone 7 wurde der Stecker als veraltet und obsolet dargestellt.

Obwohl die Buchse in der Tat bereits einige Jahrzehnte auf dem Buckel hat, gibt es einigen Widerspruch zu dieser Position. Kritiker erklären unter anderem, dass Audiosignale in jedem Fall analog beim Nutzer ankommen müssen und es für eine Anpassung keines neuen Steckers, sondern lediglich eines Soundchips und Software im Handy bedürfe. Eine Umstellung würde also nur für Adapter-Chaos und Elektroschrott sorgen.

Das Weglassen des Anschlusses bringt allerdings den Herstellern einen Vorteil. Die Audioklinke ist ein relativ großes Bauteil, dessen Integration in zunehmend schlankere Gehäuse immer schwieriger wird. Denn Smartphones verfügen über immer mehr Features, für die zusätzliche Hardware notwendig ist, die ihrerseits Platz benötigt. So gehören etwa Fingerabdruckscanner zunehmend zur Standard-Ausstattung und auch Doppelkameras – wie auch das Honor 9 eine besitzen dürfte – sind im Aufschwung.

Dunkle Vorzeichen für den Kopfhöreranschluss

Dass die Klinke von einem Tag auf den anderen verschwindet, erscheint unwahrscheinlich. Der Schritt von HTC und Huawei legt aber nahe, dass Hersteller nach der Veröffentlichung des iPhone 7 die Folgen eines solchen Vorgehens abgewartet haben. Apples aktuelles Smartphone hat sich bislang ordentlich verkauft, das Einsparen der Audiobuchse scheint sich nicht nachteilig auf den Absatz ausgewirkt zu haben.

Das könnte den Damm langsam brechen lassen. In welche Richtung es geht, ist noch nicht gut abschätzbar, das HTC U 11 und das Honor 9 können jedoch zumindest als schlechte Vorboten angesehen werden. Die Richtung weisen dürften spätestens die Flaggschiffe des heurigen Weihnachtsgeschäftes und die Spitzengeräte des Frühjahrs 2018. (gpi, 06.05.2017)