Wien – Es waren brisante Zeiten Anfang Dezember des Jahres 2011 in Österreich und Europa. Griechenland, Irland und Portugal mussten in der Schuldenkrise bereits aufgefangen werden, ein Dominoeffekt drohte Spanien und Italien mitzureißen. Österreich wurde wegen des großen Osteuropaengagements der Banken immer noch kritisch beäugt. Die Ratingagentur Standard & Poor's drohte allen Euroländern die Herabstufung der Bonitätsnoten. Wien wachte auf: Eine Schuldenbremse sollte das Vertrauen der Investoren wiederherstellen.
Kein leichtes Unterfangen, immerhin warnten SP-Gewerkschafter vor einem "Kaputtsparen". Letztlich passierte die Schuldenbremse am 7. Dezember den Nationalrat (mit einigen Enthaltungen auf SPÖ-Seite). Die angestrebte Zustimmung von Oppositionsparteien scheiterte trotz eines ebenso seltenen wie umstrittenen Appells des damaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer, das Instrument – wie auch von der Regierung gewünscht – in der Verfassung zu verankern.
Heuer ausgeglichener Haushalt verlangt
Im Jahr 2017 sind die damaligen Querelen Geschichte, die Schuldenbremse wird gerade zur Gegenwart. Denn heuer muss der Haushalt ausgeglichen sein. Besser gesagt: Müsste, denn die Vorgaben werden deutlich verfehlt. Die Schuldenbremse sieht vor, dass der Gesamtstaat höchstens ein strukturelles, um Konjunktureffekte bereinigtes Defizit von 0,45 Prozent des Bruttoinlandsprodukts einfahren darf. Laut Stabilitätsprogramm wird die Republik diesen Wert erst 2019 annähernd erreichen und heuer ein Minus von 0,9 Prozent verzeichnen.
Doch ein Passus dürfte aus der Patsche helfen, der bereits auf EU-Ebene geltend gemacht wurde: Ausnahmen für Flüchtlings- und Terrorkosten. Brüssel hat akzeptiert, dass diese Sonderkosten 2016 und 2017 ausgeklammert werden. Betreffend die nationale Schuldenbremse könnte nun ähnlich vorgegangen werden.
"Naturkatastrophen und Notsituationen"
"Im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen", werden Abweichungen von den Vorgaben hingenommen, heißt es im Gesetz. Praktisch: Bei der Beurteilung, welche Ausnahmen anerkannt werden, hält sich Österreich an die Einschätzung der EU. Somit ist absehbar, dass die Flüchtlingskosten von 0,34 Prozent des BIP abgezogen werden. Damit wäre der Zielwert fast erreicht.
Bleibt dennoch eine Lücke, ist immer noch für Spielraum gesorgt. Die Defizitabweichungen werden wie eine Lastschrift auf einem "Kontrollkonto" addiert, bis eine Summe von 1,25 Prozent erreicht wird. Dann ist Schluss; Strafzahlungen werden fällig, die jene Gebietskörperschaften erhalten, die die Vereinbarung erfüllt haben. Übrigens: Für Standard & Poor's war die Schuldenbremse nicht überzeugend. Kurz nach Beschluss war die Bestnote AAA weg – und ist es bis heute. (Andreas Schnauder, 6.5.2017)