Das Publikum des Kremser Donaufestivals empfängt in der Minoritenkirche die Segnungen der britischen Band This Is Not This Heat. Laut, leise, glatt und verkehrt, super.

Foto: David Visnjic / Donaufestival

Krems – Anstatt bis vier einzuzählen, grunzt und stöhnt Charles Hayward einfach viermal. Geht auch. Dann haut er drauf, Snare Drums, volle Kanne, und die Band fällt in den Song S.P.Q.R. Fände das Konzert nicht in der unerschütterlichen Architektur der Kremser Minoritenkirche statt, würde der Boden beben. Doch es wäre ein konzentriertes Beben. Choreografiert an der Richterskala, ausgelöst von der britischen Band This Heat. Pardon, so heißt sie ja nicht mehr. Die reformierte britische Kultband nennt sich in ihrer Reinkarnation This Is Not This Heat. "Something we know for sure", wie Hayward am Ende des Konzerts im Rahmen des Donaufestivals sagen wird.

Der Auftritt markierte den finalen Höhepunkt der ersten Ausgabe unter der neuen Festivalleitung von Thomas Edlinger, und wen man auch fragte, das Programm und die neuen, früheren Beginnzeiten vieler Konzerte fanden allerorts Zuspruch.

Der Auftritt einer Formation wie This Is Not This Heat stand in der Tradition der Programme seines Vorgängers Tomas Zierhofer-Kien. Wie jener bot Edlinger in seinem ersten Programm neue und alte Bilderstürmer, gibt mit dem Donaufestival Gelegenheit, Bands wie This Is Not This Heat zu erleben, die hierzulande kein kommerzieller Veranstalter buchen würde. Als die 1982 aufgelöste Band im Vorjahr in London ihr erstes Konzert nach 40 Jahren gab, reiste Publikum aus aller Welt an.

Aus der Krautrockküche

Bloß zwei Alben veröffentlichten This Heat. Ihr titelloses Debüt 1979 und zwei Jahre später Deceit, ihr Meisterwerk. Mit diesen Arbeiten gelang es This Heat sogar in der hohen Zeit des Punk und Postpunk zwischen den Stühlen zu landen. Mit selbstgebauten Loops und einer Mischung aus Krautrock, Jazz und gefrorenen Funk-Pattern schufen sie eine Musik, die sich im Nachhinein betrachtet am ehesten zum New Yorker No Wave zählen ließe.

This Heat waren ein Trio. Eine explosive Mischung aus Ablehnung und Angriff, die sich in zerhackten Instrumentals und biestigem Gesang entlud, dazwischen Momente von klarer Schönheit.

40 Jahre später wurde This Is Not This Heat personell hochgerüstet, zu sechst tritt man in Krems auf, mit Charles Bullen und Charles Hayward sind zwei der Originalmitglieder dabei, Gareth Williams ist 2001 gestorben. Den Job der geklebten Bänder von früher übernimmt heute der Synthesizer, ein zweiter Schlagzeuger ist dabei, Haywards Tochter unterstützt an der Geige, den Tasten und im Gesang. Eine Stunde lang setzten und zersetzen This Is Not This Heat Töne und Stücke aus ihren beiden Alben. Schneidende Gitarren, eine unnette Klarinette, Snare-lastige Rhythmen aus der Krautrockküche von Jaki Liebezeit.

Minimalismus mit maximaler Wirkung

Das klingt stellenweise nach den New Yorker Jazz-Zerlegern The Lounge Lizards, aus dem Gitarrenspiel erheben sich dann und wann die Hypnoseformeln von Velvet Underground. Doch sollen derlei Vergleiche nicht dir originäre schöpferische Kraft der Band schmälern, sie sind bloß Orientierungspunkte für dieses Werk. Minimalismus mit maximaler Wirkung. Sture Repetition, die auslässt, bevor die Musik berechenbar wird.

Das könnte eine anstrengende Übung sein, doch This Is Not This Heat gelingt eine dynamisch überzeugende Darbietung. Einerseits hebt der Deckel beständig ab, andererseits unternimmt die Band alles, ihn auf dem Topf zu halten. So entsteht Druck. Der Sechser bitzelt sich durch Titel wie Testcard und Horizontal Hold oder entfaltet aus dem Mantra des Songs Sleep einen schleppenden Rhythmus, dem kleine sonische Eruptionen entfahren, ohne dieses im Grunde sehr einnehmende Lied zu zerstören. Ein Balanceakt, den die Band souverän über die Konzertdistanz bringt, was seitens des Publikums mit entsprechender Absolution bedacht wird.

Mit dem Saalpflug

Im Anschluss tobt die New Yorkerin Margaret Chardiet durch die Minoritenkirche. Die unter dem Nom de Guerre Pharmakon arbeitende Musikerin pflegt auf expressionistische Art das Erbe der Industrial Music. Dazu bedient sie sich der zähen Rhythmen von Throbbing Gristle ebenso wie des übersteuerten Hardcore-Technos eines Alec Empire. Neue Erkenntnisse bringt ihre Darbietung nicht, alles schon gehört und gesehen. Nur so viel vielleicht: Werner Faymanns politisches Erbe hat das Publikum verinnerlicht. Wenn Chardiet wieder mal durch den Saal pflügt, macht es brav die Rettungsgasse. Immerhin. Der Rest ihrer Show waren fliegende Haare, hysterische Schreie und die Einsicht, dass kalter Kaffee kalter Kaffee bleibt, selbst wenn er mit viel Lärm neu aufgebrüht wird. (Karl Fluch, 7.5.2017)