Benatia bedauert, dass es in Italien eine "intolerante Minderheit" gibt.

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Rom – Mario Balotelli, Kevin-Prince Boateng, Sulley Muntari und Medhi Benatia – vier Stars unterschiedlicher Nationalitäten, vier Schicksale und vier Rassismusvorkommnisse in Italien. Der Juventus-Spieler Benatia ist der vorläufig letzte Kicker, der im italienischen Fußball unter derartigen Auswüchsen zu leiden hat. Das Land hat ein Rassismusproblem.

Beleidigung aus dem Hintergrund

Benatia hatte am Samstag während einer Live-Schaltung nach dem 1:1 im Derby gegen den FC Turin das Interview empört abgebrochen. Aus dem Hintergrund war eine männliche Stimme zu hören, die die Leihgabe von Bayern München als "Scheiß Marokkaner" verunglimpfte. Bisher konnte der Verursacher der Beleidigung noch nicht gefunden werden.

Der 30-jährige Abwehrspieler zeigte sich über den Vorfall verbittert. "Italien ist ein Land, das seit Jahren in meinem Herzen ist. Leider gibt es eine intolerante Minderheit. Ich bin Marokkaner und extrem stolz auf mein Land", sagte Benatia.

Solidarisch zeigte sich der Trainer von Stadtrivale FC Turin, Sinisa Mihajlovic. Er selbst werde immer wieder Opfer rassistischer Vorfälle, sagte der Serbe. "Ein Fan hat mich als Zigeuner bezeichnet."

Abgang vor Schlusspfiff mit Folgen

Erst vergangene Woche war Muntari in die Schlagzeilen geraten. Der Ghanaer hatte vom Disziplinarausschuss der Serie A wegen eines "nicht regulären Verhaltens" eine Sperre für ein Spiel erhalten, nachdem er in der Partie bei Cagliari Calcio (0:1) aus Protest gegen rassistische Beleidigungen das Spielfeld vor Abpfiff verlassen hatte. Die Sperre wurde später aufgehoben.

Entgleisung Tavecchios

Italiens Verbandschef Carlo Tavecchio setzte sich vehement für Muntari ein. Allerdings: Auch dieser ist in Bezug auf Rassismus schon kräftig ins Fettnäpfchen getreten.

"In England schaut man sich Spieler genau an, wenn sie kommen. Sie müssen Lebenslauf und Stammbaum vorzeigen. Wenn sie Profis sind, dürfen sie auch spielen. Bei uns bekommen wir einen Opti Poba, der vorher Bananen gegessen hat und dann plötzlich in der ersten Mannschaft von Lazio spielt", hatte er 2014 gesagt und sich nach Italiens WM-Vorrunden-Aus für eine stärkere Regulierung des Zustroms ausländischer Spieler ausgesprochen. Die Uefa sperrte Tavecchio daraufhin für sechs Monate.

Drama um Kevin-Prince Boateng

Auch Kevin-Prince Boateng, Halbbruder von Bayerns Jerome Boateng, wurde Opfer rassistisch motivierter Angriffe. Am 3. Jänner 2013 hatten Fans des Viertligisten Pro Patria während eines Testspiels gegen den Milan Boateng so lange provoziert, bis der Ghanaer in der 26. Minute entnervt den Platz verließ und seine Teamkollegen ihm anschließend folgten.

Für seine Reaktion hatte Boateng weltweit Zuspruch erhalten. Sechs Pro-Patria-Fans wurden allerdings später vom Vorwurf des Rassismus in zweiter Instanz freigesprochen. Auch Italiens Justiz tut sich nach wie vor schwer, gegen Rassismus vorzugehen.

Balotelli, immerhin Italiens EM-Held 2012 in Polen und der Ukraine, wurde wiederholt Opfer rassistischer Attacken in Italien. Inzwischen spielt er bei OGC Nizza in Frankreich und hat der Serie A den Rücken gekehrt.

Klare Signale

Muntari propagierte indes, dass sein Beispiel positive Effekte auslösen könnte: "Ich hoffe, das kann ein Wendepunkt in Italien sein: Es ist wichtig, für seine Rechte aufzustehen. Das ist ein wichtiger Sieg, der eine Botschaft aussendet: Rassismus hat im Fußball und in der Gesellschaft keinen Platz."

Die Uefa hat sich seit Jahren dem Kampf gegen den Rassismus verschrieben und unterstützt die Kampagne bei allen Europacup-Spieltagen mit europaweiten TV-Spots. (sid, 8.5.2017)