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Voll verschleierte Frauen in einer nordfranzösischen Stadt im Jahr 2010. Die Gesichtsverhüllung ist ist Frankreich verboten, Österreich plant eine fast wortwörtlich gleiche Regelung.

foto: epa/gerard

Wien – Nicht allen im Saal, dem Lokal 6 im Parlament, scheint das auf Wunsch vor allem der Grünen stattfindende, öffentliche Expertenhearing zum Integrationsgesetz willkommen zu sein. "Ich habe einige Fragen an die Experten, wenn wir sie schon dahaben", tönt Nationalratsabgeordneter Reinhard Bösch (FPÖ). Davor hatte er, offenbar mit einem Katastrophenszenario vor Augen, das geplante Gesetz als "unzulänglichen Versuch, das Chaos aus 2015 und 2016 (die große Fluchtbewegung, Anm.) zu verrechtlichen", bezeichnet.

Bösch erntet leises protestierendes Raunen. Überhaupt kommen von den zahlreichen anderen anwesenden Parlamentariern nach den Eingangstatements zu dem Regelungskonvolut, das – unter anderem – ein Gesichtsverhüllungsverbot sowie strenger sanktionierte Deutsch- und Wertekursangebote enthält, viele Fragen.

Nach französischem Vorbild

Zum Aufregerthema Nummer eins, dem so genannten Burkaverbot, ist der Experteninput für die parlamentarische Entscheidungsfindung dabei nur bedingt hilfreich. Die geplante Regelung entspreche bis hin zur Verwaltungsstrafe – 150 Euro für die sich verhüllende Frau – dem einschlägigen Gesetz im weit säkulareren Frankreich, sagten Roland Faber aus dem Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts und Katharina Pabel, Verwaltungsrechtlerin an der Uni Linz.

Die französische Regelung sei 2014 von der großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) als menschenrechtskonform beurteilt worden, "Die EGMR-Richter halten aber gleichzeitig fest, dass die Staaten bei diesem Thema das Recht haben, frei zu entscheiden", sagte Faber.

Ob Burkaverbot oder nicht, sei also eine Frage des "politischen Willens", meinte Pabel. Und somit auch der Entscheidung, ob man anderen, kritischeren Expertenmeinungen Gehör schenkt: der nicht beim Hearing anwesende Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk etwa schätzt das Gesetz als über den Anlassfall hinaus "zu weitgehend" ein.

Durchgefallen: weniger Geld

Das Integrationsgesetz sieht auch neue Vorgaben für die Sprach- und Wertetests vor. Diese müssen von anerkannten Flüchtlingen, subsidiär Schutzberechtigten und anderen Drittstaatsangehörige im Rahmen der Integrationsvereinbarung bestanden werden, um Sozialleistungen in voller Höhe zu erhalten oder in Genuss einer Aufenthaltsverfestigung (je länger man in Österreich ist, umso sicherer ist der Verbleib, Anm.) zu kommen.

Die Regelung unterscheidet zwei Kursmodule, wobei – auch im Hearing als Fortschritt gelobt – Drittstaatangehörge ein Recht auf die Kursmaßnahmen haben. In Modul eins sollen Deutsch auf A2-Niveau, in Modul zwei Deutsch auf B1-Niveau sowie "grundlegende Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung" vermittelt werden.

Alphabetisierungsbedarf

Doch wo, wurde Susanne Knasmüller aus dem Außen- und Integrationsministerium gefragt, soll die in vielen Fällen nötige Alphabetisierung stattfinden? Das werde in den unter Ägide des Innenministeriums stehenden Kursen für Asylwerber mit positiver Anerkennungsperspektive sein, sagte Knasmüller: "Wir gehen davon aus, dass nur dort Bedarf besteht"

Die "dringende Empfehlung", Deutsch- und Wertekurse und -tests unabhängig voneinander durchzuführen, kam unterdessen von der Sprachprüfungsexpertin Silvia Demmig. Das sei "methodisch geboten". Auch sei fraglich, ob man mit Deutsch auf A1- oder A2-Niveau Komplexes wie gesellschaftliche Wertevermittlung überhaupt verstehen könne.

Das Integrationsgesetz wurde Montagnachmittag von SPÖ und ÖVP im außenpolitischen Ausschuss beschlossen und kommt wahrscheinlich nächste Woche ins Plenum (bri, 8.5.2017)