Wien – Ausreichend Deutschkurse für alle Flüchtlinge: Das soll das Integrationsgesetz bringen. Was nach einer guten Nachricht klingt, sorgt bei Experten für Kopfzerbrechen. Denn derzeit weiß niemand, wo die Lehrenden für neue Deutschkurse herkommen sollen. Es gibt in Österreich zu wenige Ausbildungsplätze für sogenannte DAZ-Trainer, also Trainer für Deutsch als Zweitsprache (DAZ).

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Zwar gebe es genügend Interessenten, die sich zu Trainern ausbilden lassen wollen, "die Unis ertrinken in Studierenden", sagt Hans-Jürgen Krumm vom Germanistikinstitut der Uni Wien.

"Total fahrlässig"

Der Mangel an Ausbildungsplätzen führe dazu, dass vermehrt Kurse von nicht ausreichend qualifizierten Trainern geleitet werden. Bereits jetzt sei das der Fall, sagt Renate Faistauer vom Fachbereich DaZ/DaF der Universität Wien. Es sei "total fahrlässig, Menschen ohne geeignete Ausbildung unterrichten zu lassen", sagt Faistauer. Im Integrationsministerium wird im Zusammenhang mit den Sprachkursen betont, dass man durch das Integrationsgesetz eine verplichtende Zertifizierung der Kursanbieter einführen wolle.

Auf die Frage, welche Mindestanforderungen künftig gelten sollen, heißt es im dafür zuständigen Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) auf STANDARD-Anfrage jedoch, dass man keine DAZ-Ausbildung verlange – vielmehr reiche auch ein pädagogisches Studium oder Erfahrung in der Erwachsenen-Weiterbildung, sofern man Vorerfahrung im Unterrichten von Deutsch als Zweitsprache habe.

Wie Autoreparatur

Das sei zu wenig, meint Klaus-Börge Boeckmann, Professor an der Pädagogischen Hochschule Graz: "Es wird verkannt, wie anspruchsvoll es ist, jemandem Deutsch beizubringen, der eine andere Herkunftssprache hat." Man käme auch nicht auf die Idee, sich "ein Auto von jemandem reparieren zu lassen, der es nicht gelernt hat", meint Faistauer.

Derzeit wird DAZ an der Uni Wien nur im Masterstudium angeboten, im Oktober kommt ein Lehrgang dazu, der allerdings kostenpflichtig ist. An mehreren Pädagogischen Hochschulen werden zwar ebenfalls DAZ-Ausbildungen angeboten, sie sind aber auf das Unterrichten von Kindern und Heranwachsenden ausgerichtet. Zudem gibt es Kurse an den Volkshochschulen und an privaten Instituten.

Es fehle an einem Bachelorstudium für das Fach, meint Faistauer. Zudem brauche es eigene Zertifizierungskurse für Ehrenamtliche, die bereits Erfahrung im laienhaften Deutschunterrichten haben und sich gerne professionalisieren lassen würden.

Offen bleibt, was mit jenen Flüchtlingen passieren soll, die gar keinen regulären Kurs besuchen können, weil sie Analphabeten sind. Im Entwurf fürs Integrationsgesetz ist zwar geregelt, dass die Anfänger-Deutschkurse vom Integrationsministerium, die Aufbaukurse hingegen vom Sozialministerium bezahlt werden – für die notwendigen zusätzlichen Alphabetisierungskurse wurde jedoch keine Finanzierung festgelegt. (Maria Sterkl, 9.5.2017)