Nathan Trent hat in Kiew eine Charmeoffensive gestartet – wie hier am Red Carpet bei der Eröffnung der ESC-Woche. Am Donnerstag entscheidet sich, ob er das Finale erreicht.

Foto: ORF/Roman Zach-Kiesling

Die Bühneninszenierung von "Running on Air" wird von Mond und Wolken dominiert.

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Das zweite Semifinale am Donnerstag ist voller mittelmäßiger Songs. Nur wenige Kandidaten stechen wirklich hervor, sei es im Positiven oder im Negativen. Daher ist die Prognose, wer es ins Finale schaffen könnte, recht schwierig. Doch einer, der zu dieser Gruppe der Mittelmäßigen gehörte, hat in den Proben überzeugt und andere deutlich überflügelt.

Nathan Trent, der österreichische Vertreter beim diesjährigen Gesangswettbewerb, kam mit einem sehr zeitgemäßen Song nach Kiew und war ein gänzlich unbekannter Künstler. Daher war seine Nominierung eine durchaus mutige Entscheidung. "Running on Air" ist ein radiotauglicher Song, der gute Laune verbreitet, bei dem man aber weniger an eine glamouröse TV-Inszenierung denkt. Beim Song Contest muss der hervorragende Sänger Trent allerdings auch als Performer überzeugen. Genau das gelingt ihm erstaunlich gut.

Schreuder: Als du das erste Mal auf dieser Bühne hier in Kiew gestanden bist, wie war das?

Trent: Es war alles viel größer, als ich gedacht habe, total überwältigend. In der zweiten Probe habe ich viel mehr realisiert, dass ich wirklich auf dieser Bühne stehe. Es macht jedes Mal mehr Spaß, jedes Mal sehe ich auch, was ich nicht machen werde. Es wäre halt schön, wenn wir einmal eine private Probe hätten. Es ist jede Probe hier ausgestellt, du musst also jedes Mal eigentlich eine Performance abliefern. Man kann und darf eigentlich nichts falsch machen.

Schreuder: Würdest du mehr ausprobieren können, wenn es diese Öffentlichkeit nicht gäbe? Bei Song Contest wird ja tatsächlich jede Probe hundertfach kommentiert und diskutiert.

Trent: Die Leute wissen natürlich, dass es sich um Proben handelt und dass man auch Fehler machen darf. Man ist halt immer ausgestellt. Ich bin etwa bei der zweiten Probe bewusst mit meiner Stimme etwas runtergefahren. Man kann nicht jedes Mal 180 geben. Aber die Proben haben trotzdem dazu geführt, dass ich jetzt weiß, wie ich es machen werde.

Schreuder: Du hast einmal erzählt, dass du den Song Contest seit 2010 verfolgst. Was ist das Besondere an dieser Show für dich?

Trent: Sie ist multinational und multikulturell. In jedem Song bekommt du auch etwa von der Kultur eines Landes mit. Der Song Contest ist ähnlich wie ein riesiger Sportevent, nur dass die Musik Leute verbindet. Das ist auch der Grund, warum ich Musik mache und Musical studiert habe. Ich will ein Grund sein, warum sich Leute treffen.

Schreuder: Conchita meinte zum Geheimnis von Erfolg: "Du musst auf der Bühne stehen, es genießen und Spaß daran haben." Du strahlst sehr viel Freude aus. Stimmt dieses Rezept denn?

Trent: Ja! Und du musst zusätzlich noch im Moment sein, zu hundert Prozent im Jetzt sein und jedes Wort meinen, das du singst. Es hilft natürlich, dass ich den Song selbst geschrieben habe. Das ist das besondere Zuckerl, nämlich dass ich meine Persönlichkeit da reinpacken kann.

Schreuder: Es gibt beim Song Contest fast immer zwei unterschiedliche Arten von Teilnehmern: die Musiker und die Interpreten. Also diejenigen, die einen Song selbst komponieren und/oder schreiben, dieses Jahr zum Beispiel du oder der Favorit Francesco Gabbani, und dann gibt es Sänger, die Songs von Komponisten interpretieren, meistens aus einer schwedischen Songfabrik. Macht das einen Unterschied?

Trent: Ich komme sicher als Sänger-Slash-Songwriter-Slash-Musicaldarsteller-Slash-ich. Das ist schon cool, so man selbst sein können. Dass ich meinen eigenen Song singen kann, ist sicher das Coolste an diesem so positiven und tollen Song Contest. Mir wurden auch Songs zugeschickt, da waren auch gute dabei, aber sie waren nicht ich. Im Musical ist das was anderes, denn da spiele ich ja eine Rolle. Aber ich finde es immer einen Tick interessanter, wenn man den Song selbst gemacht hat. Es interessiert mich bei anderen auch immer mehr, wenn ich weiß, dass der Künstler selbst mitgeschrieben hat.

Schreuder: Wo siehst du dich in zehn Jahren?

Trent: Wenn ich ganz groß und übertrieben denken darf: Grammy! Ich hätte sehr gern einen Grammy.

Schreuder: Das sagte Conchita 2014 in Kopenhagen auch immer.

Trent: Ehrlich?

Schreuder: Solltest du nicht gewinnen, wer dann?

Trent: Der Beste, der den Zeitgeist trifft.

Schreuder: Vermutlich also Italien.

Trent: Ich bin Halbitaliener.

(Marco Schreuder, 10.5.2017)