Dirk Fehse gründete Paul Camper, eine Plattform zur Vermietung privater Wohnmobile und -wagen.

Foto: Paul Camper

Nach 17.074 Kilometern mit dem Camper in Australien fallen Dirk Fehse zwei Dinge auf: Er hat den falschen Beruf gewählt, und er kann sich einen Urlaub mit dem Wohnmobil kaum leisten.

Foto: Dirk Fehse

Drei Monate lang ist er mit ein paar Kommilitonen in einem zum Camper umgebauten Toyota Lieferwagen quer über den Kontinent gefahren, hat alle Küsten bereist.

Foto: Paul Camper

Fehse und seine Freunde campieren also fast die gesamten drei Monate wild – obwohl das auch in Australien offiziell verboten ist und teuer geahndet wird.

Foto: Paul Camper
Foto: Paul Camper

In Australien ist die Welt für Dirk Fehse zum ersten Mal in Ordnung. Wie ein Irrläufer im Outback fühlte er sich zuvor in Deutschland, galt es doch, den richtigen Beruf zu wählen: Etwas Handfestes wie KFZ-Mechaniker oder Tischler hatte der heute 35-Jährige als Jugendlicher in Ostdeutschland erlernen wollen – geworden ist er Bürokaufmann in Berlin.

"Die Berufsbezeichnung sagt eh schon alles. Man verrottet in einem Büro", kommentiert der bewegungshungrige Outdoor-affine seine erste Fehlentscheidung. Die zweite trifft er Mitte zwanzig. Fehse geht zusätzlich ein Studium an, doch wieder wird es etwas "Vernünftiges": Betriebswirtschaftslehre mit den auch nicht sonderlich bewegungsintensiven Schwerpunkten Rechnungswesen und Controlling. Dass er ein Semester in Brisbane studieren kann, ist noch das Beste daran. Australien verheißt viel Gegend, also endlich einmal rauszukommen.

Ununterbrochen im Wagen

Nach diesem Semester und exakt 17.074 Kilometern erklärt Fehse seine frühe Lebenskrise mit 26 Jahren für beendet. Drei Monate lang ist er mit ein paar Kommilitonen in einem zum Camper umgebauten Toyota Lieferwagen quer über den Kontinent gefahren, hat alle Küsten bereist. Heute sagt er über diese Reise: "Es war die schönste Zeit meines Lebens, auch aus menschlicher Sicht. Man muss sich das einmal vorstellen: Wir waren 24 Stunden lang, sieben Tage pro Woche in drei Monaten fast ununterbrochen in dem Wagen – und trotzdem sind wir Freunde geblieben."

Unterwegs wird sich der junge Mann mit den vielen wirtschaftlichen Ausbildungen zum ersten Mal bewusst, wie er zu materiellen Dingen steht: "In so einem Camper hast du nicht viel, aber gleichzeitig alles, was du brauchst." Den oft strapazierten Begriff von Freiheit, den angeblich alle Camper auf den wenigen Quadratmetern zwischen Chemo-Klo und Klapptisch verspüren, definiert er fortan so: "Ich bin keiner, der jeden Tag eine Dusche braucht. Ein Campingplatz sieht mich nur dann, wenn Wäsche zu waschen ist."

Campen ist teuer

Fehse und seine Freunde campieren also fast die gesamten drei Monate wild – obwohl das auch in Australien offiziell verboten ist und teuer geahndet wird. "Man muss es nur geschickt anstellen", verrät er zehn Jahre danach: "Wir haben den Camper oft neben dem Tourist-Office abgestellt – in der Hoffnung, dass die nichts dagegen haben." Im Outback hatten sie ohnehin nie das Gefühl zu stören. "Es gibt da diese schnurgerade Straße, die 5.000 Kilometer mitten durch den Kontinent führt. Am Abend stellst du dich auf einen der Parkplätze mit Dixie-Klo und Eisengriller. Bis zum nächsten Tag begegnest du niemandem mehr."

Zurück in Berlin, ist Fehse angefixt von dieser Art des Reisens. Rasch bemerkt er aber, dass man es sich als junger Mensch kaum leisten kann. Die Miete eines Wohnmobils kommt in Europa inklusive aller Gebühren gut und gerne auf 200 Euro pro Tag. Also besorgt er sich erst einmal einen alten VW-Transporter und holt nach, was er als verhinderter Tischler und Mechaniker schon immer tun wollte: Er zimmert ein Bett und eine Küche in den Bus, stattet ihn mit einer Solaranlage aus und gibt dem Vehikel einen Namen. VW-Bus Paul bringt Fehse und seine Freundin fortan quer durch Europa – bis 2011. Dann ist die Freundin fort und damit auch der Zweck von Paul: "Campen ist etwas, das nur zu zweit oder mit mehreren Spaß macht", sagt Fehse.

Eine Geschäftsidee ist geboren

Dass Paul nun weitgehend unbenutzt herumsteht, frustriert den Berliner. Also versucht er, seinen Camper tage- und wochenweise zuerst an Freunde und Bekannte zu verleihen. Das gelingt auch ganz gut, allerdings ist die Versicherungslösung für Dritte keine einfache. Und wie völlig Unbekannte darauf aufmerksam werden sollen, dass er seinen Camper gerne vermieten würde, bleibt vorerst auch ungelöst. Eine Geschäftsidee ist geboren.

Gut 1.145 private Wohnmobile und -wagen stehen seit der Gründung des Start-ups "Paul Camper" zur Miete bereit – Tendenz stark steigend. Das 2013 ersonnene System funktioniert ähnlich wie Wohnungsvermittlung à la AirBnB. Man bezahlt einen Inklusivpreis, diesfalls für die Fahrzeugmiete und Versicherung, ohne weitere Gebühren oder Kilometerbeschränkung. Die Nachfrage ist bereits größer als das Angebot: Auf der deutschen Präsenz von paulcamper.de sind derzeit 10.000 Mieter registriert, seit Anfang 2017 ist der Dienst auch in Österreich verfügbar. "Es geht uns nicht um schnelles Wachstum, sondern um die Pflege einer Community Gleichgesinnter", sagt Fehse. Er führt mittlerweile ein Team aus 26 Mitarbeitern, allesamt passionierte Camper.

Einiges am Markt für Wohnmobile hat sich geändert, seitdem der Berliner vor zehn Jahren durch Australien tingelte: "Viele meiner Generation suchen etwas in Richtung Kastenwagen mit einfacher Ausstattung, dafür umso flexibler in der Handhabe. Insofern sind wir auch keine Konkurrenz zu den kommerziellen Vermietern, die durchwegs neue und immer luxuriösere Wohnmobile anbieten." Anderes hingegen wird sich beim Campen so schnell nicht ändern: "Für viele verheißt so ein Fahrzeug die große Freiheit. Was einengt, ist das menschliche Miteinander. Sollte ich also jemals heiraten, fahre ich mit dieser Frau bestimmt zuerst campen." (Sascha Aumüller, RONDO, 19.5.2017)