Die Biologin Eleni Tomazou versucht mit neuen Methoden, das Ewing-Sarkom zu verstehen.

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Wien – Die Diagnose Ewing-Sarkom ist alles andere als auf die leichte Schulter zu nehmen: Die Krebserkrankung zählt zu den bösartigsten bei jungen Patienten, das Durchschnittsalter der Erkrankten liegt bei 15 Jahren. Der Tumor manifestiert sich vor allem in Knochen, manchmal in Weichteilgewebe. Verantwortlich für die Entstehung ist die Fusion zweier Gene, die ursprünglich auf verschiedenen Chromosomen liegen und zusammen ein "Supergen" bilden – weitere Mutationen im Genom sind nicht nötig.

Dies wirkt im Vergleich zu anderen Krebserkrankungen mit zahlreichen Mutationen fast übersichtlich. Doch das Ewing-Sarkom bleibt rätselhaft, weil die Ausprägungen der Krankheit sehr verschieden sind. Als Eleni Tomazou vor fünf Jahren an die St.-Anna-Kinderkrebsforschung in Wien kam, verfolgte sie einen neuen Ansatz. Sie fragte sich: Können die Unterschiede statt im Genom auch im Epigenom, der zusätzlichen chemischen Modifizierung des Genoms durch Umgebungsbedingungen, verwurzelt sein? Mit epigenetischen Methoden ist sie seit dem PhD-Studium am Sanger-Institut bei Cambridge sowie dem Postdoc in Harvard versiert. Pädiatrische Tumore dagegen waren eine neue Herausforderung.

Forschung am Ewing-Sarkom ist tendenziell schwierig, da es sich um einen seltenen Tumor handelt, dessen Zellen aus Knochenstrukturen noch dazu nicht leicht zu gewinnen sind. So war eine Zusammenarbeit mit Instituten in Deutschland, Frankreich und Spanien nötig, um letztendlich 140 Patientenproben zu vergleichen. Der Fokus liegt auf sogenannten Enhancern, regulatorischen Elementen, die kontrollieren, welche Gene aktiv sind.

In manchen Patienten sind die Enhancer aktiver als bei anderen. Die epigenetische Markierung, die aus methylierter DNA besteht, bildet ein bestimmtes Muster. Davon ausgehend lassen sich ein Patient und seine Enhancer-Aktivität auf einem Spektrum darstellen.

"Unsere Hypothese ist, dass wir diese unterschiedliche Enhancer-Aktivität mit dem Verlauf der Krankheit in Zusammenhang bringen können", sagt Tomazou, die die in Nature Medicine publizierte Studie leitete. Mit einer Weiterentwicklung der Ergebnisse könnte die Therapie, die mit Medikamenten, Bestrahlung und chirurgischen Eingriffen einige Nebenwirkungen und Spätfolgen hervorrufen kann, individuell angepasst werden.

"Wir haben außerdem herausgefunden, dass Patienten mit Metastasen eine größere Variabilität an Tumorzellen und deren Epigenom haben. Vielleicht können wir daher bald besser verstehen, wie sich der Krebs entwickelt und aggressivere Zellen entstehen."

Tomazou erhielt 2016 das Elise-Richter-Stipendium des Wissenschaftsfonds FWF, pausiert allerdings seit der Geburt ihres Sohnes Ende des Jahres. Im September will sie wieder einsteigen. Da das Ewing-Sarkom mittlerweile ihr Steckenpferd geworden ist, wäre die Kinderkrebsforschung in Wien ein guter Ort, um zu bleiben – auch wenn es die 35-Jährige in ihrem Leben schon von einem kleinen Dorf auf der griechischen Insel Rhodos nach Großbritannien, Deutschland und in die USA gezogen hat. Aber: "Junge Wissenschafter sollten schon ein wenig herumkommen. Wir Forscher sind wie Künstler und brauchen Stimulation, neue Erfahrungen." (Julia Sica, 14.5.2017)