Schon in der Regierung von François Hollande arbeiteten Emmanuel Macron (li., Archivbild Februar 2016), damals Wirtschaftsminister, und Manuel Valls (re.), damals Premierminister, in einem Team.

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Er spricht von "Engagement", doch das Echo antwortet "Verrat". Manuel Valls erklärte am Dienstag in einer Radiosendung, er wolle sich bei den Parlamentswahlen im Juni für den neuen Staatspräsidenten Emmanuel Macron engagieren und sich für dessen Bewegung – die nun in "La République en Marche" umbenannt wurde – um einen Sitz in der Nationalversammlung bewerben. Er rief dabei auch alle "Fortschrittlichen" auf, es ihm gleichzutun.

Über die Konsequenzen für seine bisherige Partei ist sich François Hollandes Ex-Premier im Klaren: "Diese Sozialistische Partei ist tot. Sie liegt hinter uns und muss überwunden werden." Seine Freunde beim Parti Socialiste (PS) forderte Valls auf, sich "viel klarer" als bisher hinter den gewählten Präsidenten zu stellen.

Mit dieser Aussage treibt der Vertreter des rechten PS-Flügels einen Keil in die ohnehin schon am Boden liegende Partei. Deren Führungsbüro versuchte am Dienstag, eine einheitliche Haltung zu Macron und seiner Bewegung festzulegen. Zwischen einem Koalitionsangebot an den neuen Präsidenten und einer betont linken Opposition finden sich in der orientierungslosen Partei aber so ziemlich alle möglichen Meinungen.

Valls steht seit Wochen unter Beschuss des linken Parteiflügels, da er sich im Wahlkampf entgegen seiner schriftlichen Verpflichtung nicht für den offiziellen PS-Kandidaten eingesetzt hatte. Sein Wahlaufruf für Macron wird ihm bis heute als Verrat ausgelegt. Hamon-Sprecher Alexis Bachelay fragte am Dienstag via Twitter, ob nach Valls wohl "auch Brutus und Judas" in das Präsidentenlager überlaufen würden. Hamon hatte im ersten Präsidentenwahlgang nur 6,4 Prozent der Stimmen erzielt und der einst stolzen Partei von François Mitterrand eine der schlimmsten Wahlschlappen überhaupt eingebrockt.

Weitgehende Reformen

Der Streit zwischen dem Valls-Lager und "Frondeuren" wie Hamon geht auf den Konflikt um die Arbeitsmarktreform unter Valls, damals Premier, und Noch-Präsident Hollande zurück. Diese Reform spaltete die ganze französische Linke. Und der Riss mitten durch die Sozialistische Partei wird sich kaum mehr kitten lassen – denn nun plant auch Macron eine Reform des Arbeitsrechtes, die sogar noch weiter geht. Frondeure und Anhänger des Linken Jean-Luc Mélenchon organisierten am Montag mit militanten Gewerkschaftern bereits eine erste diesbezügliche Protestkundgebung.

PS-Sekretär Jean-Christophe Cambadélis versucht verzweifelt zwischen den Fronten zu vermitteln: Er äußert sich nicht direkt gegen die Reform, aber gegen Macrons Absicht, per Dekret und ohne Parlamentsabstimmung vorzugehen. Bedeutend klarer sagte Cambadélis am Dienstag hingegen, dass Valls nicht im PS bleiben könne, wenn er sich auf Macrons Seite schlage.

Ob Valls eine größere Absetzbewegung Richtung Macron auslösen wird, wird sich bald weisen. Auch bei den konservativen Republikanern rumort es. Ex-Präsidentschaftskandidat Bruno Le Maire erklärte, er wäre bereit, "mit Macron zusammenzuarbeiten". Um einen Massenexodus zu verhindern, droht die Partei den Kandidaten, die für Macron zur Parlamentswahl antreten, mit dem Rauswurf.

Der PS leidet allerdings noch stärker unter dem Macron-Sog. Gut möglich, dass die Partei zwischen den beiden "Ms" – Macron und Mélenchon – bald ganz aufgerieben wird, wie Valls vorhersagt.

Zittern um Kandidatur

Der Ex-Premier hätte sich allerdings selbst einen freundlicheren Empfang in Macrons République en Marche vorstellen können. Mehrere Sprecher erklärten, sie wüssten nichts von einer Bewerbung Valls' für einen Parlamentssitz. Falls er für das Macron-Lager antreten wolle, müsse er zuerst seine Kandidatur in einem der 577 Wahlkreise hinterlegen.

Die Frist dafür läuft heute, Mittwoch, ab. Morgen, Donnerstag, will Macron alle seine Kandidaten vorstellen. Wenn Valls nicht darunter sein sollte, droht seinem fliegenden Parteiwechsel eine Bauchlandung. In der für tot erklärten Stammpartei ist er jedenfalls nicht mehr willkommen. (Stefan Brändle aus Paris, 9.5.2017)