Seit 30 Jahren fördert Erasmus den internationalen Austausch. Der EU-Kommissar für Bildung, Tibor Navracsics, bei einer Konferenz im Jänner über das Programm.

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30 Jahre Erasmus stehen für die Geschichte einer Generation, die ein neues Europa kennengelernt hat. Neun Millionen Menschen zählt diese Generation Erasmus mittlerweile. Diese Menschen sind Zeugen, aber auch Baumeister eines neuen, gemeinsamen Europas. Ihr Europa ist ein anderes, als es die jüngsten Diskussionen über Brexit und Kerneuropa, Grenzschutz und Abschottung zeichnen. Es ist ein Europa der Offenheit und Toleranz, ohne die engen Grenzen und Befindlichkeiten von Nationalstaaten.

Es gehört zum Selbstverständnis dieser Generation, ihre Ausbildung durch einen Aufenthalt in einem anderen Land zu untermauern, Karriere im Rahmen des Arbeitsmarkts Europa zu machen oder sich in mehr als einem Land zu Hause zu fühlen. Die Einmischung der Politik in Forschung und Lehre, wie jüngst in Ungarn, hat in diesem Denken genauso wenig Platz wie Diskussionen über Einschränkungen der Freizügigkeit.

Kernwerte Mobilität und Multikulturalität

60 Jahre nach der Unterzeichnung der Römischen Verträge wird das Europa der Generation Erasmus und dessen Zukunft infrage gestellt. Wollen wir das für uns und unsere Zukunft? Oder wollen wir nicht vielmehr ein offenes Europa der Grundfreiheiten, in dem Mobilität und Multikulturalität Kernwerte darstellen? Wollen wir ein Europa, das mutig in die Zukunft blickt und integrationsfähig bleibt, oder nehmen wir einen Rückschritt in Richtung einer stark integrierten Freihandelszone in Kauf, in welcher die Staaten das Heft in der Hand halten und Grenzen, Enge und Geschlossenheit erneut zur täglichen Erfahrung werden?

Offenes und buntes Europa

Das europäische Bildungsprogramm Erasmus ist eine Erfolgsgeschichte eines gemeinsamen Europas: Aus ursprünglich elf europäischen Staaten sind 33 Programmländer und Partnerländer in der ganzen Welt geworden. Erasmus ist also ein Beispiel, wie Europa funktionieren kann – und ebenso eines dafür, dass es sich lohnt, gemeinsamen Herausforderungen mit gemeinschaftlichen Lösungen zu begegnen.

Die Generation Erasmus ist erwachsen geworden. Wir sind gefordert, aktiv Verantwortung für unser Europa zu übernehmen, das Plädoyer für ein offenes und buntes Europa zu sprechen und die persönlichen Erfahrungen und Netzwerke in die politische Diskussion einzubringen. 30 Jahre Erasmus ist ein wunderbarer Anlass, die Stimme zu erheben und nationalistischen, integrationsfeindlichen und illiberalen Tendenzen in ganz Europa eine Absage zu erteilen. (Stefan Zotti, 22.5.2017)